© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/16 / 01. Juli 2016

Rewe übernimmt die Konsumgenossenschaft Coop
Nordisches Schneeballsystem
Dirk Meyer

Die Coop Schleswig-Holstein mit ihren 73.000 Genossenschaftlern ist am Ende. Voriges Wochenende hatte die Vertreterversammlung zu entscheiden, ob das Geschäft mit den zirka 200 Sky-Märkten und SB-Warenhäusern in eine mehrheitlich von Rewe bestimmte OpCo-Betreibergesellschaft zu überführen ist. Die 1899 in Kiel gegründete Konsumgenossenschaft war einst weit über das jetzige norddeutsche Vertriebsgebiet auch in Baden-Württemberg oder Bayern bekannt. Eine stille Beteiligung von Rewe (2007) und der Verkauf des südlichen Vertriebsgebietes an die Kölner Handelsgruppe (2009) leiteten den Beginn des jetzt besiegelten Niedergangs ein.

Seit 2005 wurden betriebliche Verluste und Dividenden nur durch Hebung stiller Reserven von etwa 100 Millionen Euro gedeckt. Ein harter Wettbewerb und eine mit einem Umsatz von 1,25 Milliarden Euro (ein Vierzigstel von Rewe) für konkurrenzfähige Einkaufskonditionen zu geringe Betriebsgröße sind nur ein Erklärungsgrund. Langjährige Managementfehler wie die unterlassene Schließung unrentabler Standorte, eine mangelnde Kostenkontrolle, ein ertragsschwaches Modernisierungsprogramm von 250 Millionen Euro sowie ein zu spätes Umsteuern kommen hinzu. Ein Kontrollversagen der zu 40 Prozent mit Cooplern besetzten Vertreterversammlung, die per Einheitsliste gewählt ist, erschwert eine interne Kritik. Ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat, der Planabweichungen lange Jahre einfach hingenommen hat, rundet das Bild ab.

Die als „Premiumparnerschaft“ mit Rewe angekündigte Minderheitskooperation entspringt einer Position der Schwäche. Unter anderem besteht spätestens seit 2015 ein Druck der Konsortialbanken, die ihre Finanzierung an Bedingungen knüpfen, die letztlich diese Unterwerfung notwendig machen. Die Arbeitsverträge der knapp 10.000 Beschäftigten in der OpCo-Betreibergesellschaft sind vorerst über Paragraph 613a BGB (Betriebsübergang) gesichert. Betriebsbedingte Kündigungen infolge der Schließung unrentabler Märkte und Produktivitätssteigerungen in der Verwaltung dürften jedoch folgen.

Währenddessen gerät die Coop eG zur weitgehend funktionslosen Kapitalsammelstelle der Genossenschaftsmitglieder in Abhängigkeit der Rewe Group. Damit ist jedoch keinesfalls sicheres Fahrwasser erreicht. So bestehen weiterhin erhebliche Bestandrisiken, die aus möglichen Einsprüchen des Kartellamtes, Klagen Dritter gegen den Zusammenschluß und aus einem Nichtvollzug der Kooperation herrühren können. Zudem gibt der Vorstand bislang keinerlei Informationen über die drohenden Planverluste der nächsten Jahre heraus. Das Pikante: Trotzdem wird weiterhin um neue Kapitaleinleger geworben – eine Form des genossenschaftlichen Schneeballsystems?






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.