© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/16 / 01. Juli 2016

Vorbehalte durchbrechen
Parlamentswahl Spanien: Der konservative Partido Popular legte zwar unerwartet zu, doch eine Regierung wird nur schwer zusammenfinden
Michael Ludwig

Die Spanier geben Mariano Rajoy eine neue Chance, titelte die Madrider Tageszeitung El Mundo nach den Parlamentswahlen am Sonntag. Nun wird König Felipe VI. den amtierenden Regierungschef und seinen konservativen Partido Popular (PP) dazu auffordern, eine neue Regierung zu bilden. Ob er das allerdings schaffen wird, ist fraglich, denn die Sitzverteilung im spanischen Parlament erfordert Koalitionsgespräche – und die sind seit dem Zusammenbruch des Zwei-Parteien-Systems außerordentlich schwierig.

Er werde mit Vertretern aller Parteien sprechen, um ein Regierungsbündnis zu schmieden, erklärte Rajoy in der Wahlnacht vor Tausenden von PP-Anhängern, die sich in der Madrider Innenstadt versammelt hatten, um ihrer Freude über den Sieg freien Lauf zu lassen. Sie schwenkten die Nationalflagge und die blauen Fähnchen mit dem PP-Logo – immer wieder feierten sie Rajoy mit Sprechchören: „Presidente, Presidente“.

Der so oft politisch totgesagte Chef der konservativen Volkspartei schaffte  auch diesmal wieder eine unvermutete Wiederauferstehung. Nach einem harten Wahlkampf gelang es ihm, das Ergebnis des letzten Urnengangs vom 20. Dezember 2015 zu übertreffen – der PP wird in der Cortes künftig mit 137 Sitzen vertreten sein, das sind 14 mehr als bisher. Eine derartige Verbesserung haben ihm nur die wenigsten zugetraut. Allerdings ist er von der absoluten Mehrheit – sie liegt bei 176 Mandaten – meilenweit entfernt. 

Die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen werden sich wohl wieder als kompliziert erweisen. Rajoys Wunschergebnis wäre eine große Koalition mit der sozialistischen PSOE unter Einbindung der bürgerlichen Ciudadanos – sie würde im Parlament mit 254 Abgeordneten über eine komfortable Mehrheit verfügen. 

Für die PSOE und ihren Spitzenkandidaten Pedro Sánchez könnte man den Wahlausgang als „Glück im Unglück“ bezeichnen. Glück deshalb, weil entgegen allen Vorhersagen es dem linkspopulistischen Bündnis Unidos Podemos (Gemeinsam können wir) nicht gelungen ist, die Sozialisten als zweitstärkste Kraft abzulösen. Unglücklich ist er für die PSOE wegen des grundsätzlich schlechten Abschneidens – sie hat mit 85 Sitzen fünf weniger als 2015, das schlechteste Mandatsergebnis in der Geschichte der Partei. 

Die beiden neuen Parteien des Landes – Podemos und Ciudadanos – konnten sich zwar im Parteienspektrum etablieren, ihre Überraschungserfolge von 2015 jedoch nicht wiederholen. Podemos verband sich mit der kommunistischen IU (Izquierda Unida) zur gemeinsamen Wahlplattform Unidos Podemos, gewann aber lediglich zwei Parlamentssitze hinzu. Sie verfügt nun über 71 Sitze. Die wirklichen Verlierer der Wahlen sind die bürgerlichen Ciudadanos, deren Mandate von 40 (2015) auf 32 zurückgegangen sind.

Ob es in Madrid zu einer großen Koalition zwischen PP und PSOE kommen wird, wird die Gretchenfrage sein. Die Verhandlungen werden dadurch erschwert, daß Sánchez eine Zusammenarbeit mit dem PP grundsätzlich ausgeschlossen hat. Außerdem ist es völlig ungewiß, ob er nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei nicht einer „Nacht der langen Messer“ zum Opfer fallen wird. 

Eine Linkskoalition zwischen den Sozialisten und Unidos Podemos gilt als unwahrscheinlich; zum einen würde sie über nur 156 Sitze verfügen, müßte also kleinere Parteien zur Mitarbeit gewinnen; zum anderen gibt es in der sozialdemokratischen PSOE erhebliche Vorbehalte hinsichtlich einer Regierungskoalition mit dem linksextremen Bündnis Unidos Podemos.