© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

An der grünen Invasionsfront geht es immer bunter zu
Unerwünschte Vielfalt – ein umfangreiches „Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland“
Christoph Keller

Deutschlands Wälder und Wiesen, Flüsse und Seen werden infolge Einwanderung gebietsfremder Arten immer bunter. Gefäßpflanzen wie Japan-Staudenknöterich, Persischer Bärenklau oder Kanadische Goldrute, Tiere wie die Asiatische Raubschnecke, Argentinische Ameise oder Florida-Kaninchen verraten schon im Namen, daß sie aus fernen Gefilden nach Deutschland umgezogen sind. Bezüglich ihrer Herkunft weniger auskunftsfreudig, aber nicht weniger gefährlich für die heimischen Arten sind die aus Nordamerika stammenden Minke, Waschbären und Grauhörnchen sowie zahlreiche Würmer, Muscheln, Schnecken und Krebstiere.

Einen gründlichen Einblick zur Lage an dieser deutschen Invasionsfront vermittelt ein federführend von Forstzoologen der TU Dresden erstelltes Kompendium „Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland“ (2015). Was jedoch fehlte, war eine Übersicht über den aktuellen Stand der Abwehr und der Vorsorge. Die haben die Dresdner Forscher unter Leitung von Doreen Schmiedel vom Lehrstuhl für Biodiversität jetzt nachgereicht (Natur und Landschaft, 5/16). 

Schmiedels Forschungsgruppe verschickte an alle deutschen Schutzgebiets- und Forstverwaltungen, aber auch an Zoos, Jagd-, Fischerei- und Angelverbände – an fast tausend Organisationen insgesamt – eine Liste mit 168 Fremdarten, um zu erfahren, wie man derzeit mit ihnen umgeht. Leider gab es nur 147 Rückmeldungen. Gleichwohl glauben die Biologen, das eher dürftig wirkende Datenmaterial bilde wesentliche Tendenzen bei den Managementmaßnahmen präzise ab. 

Demnach liegt der Schwerpunkt deutlich auf der Beseitigung, während man der Vorsorge weniger Aufmerksamkeit widmet. So gehen Behörden wegen der Gesundheitsgefahren etwa rigoros gegen den Riesen-Bärenklau vor, Jäger sind um die Reduzierung von Mink und Waschbär bemüht. Waldbesitzern ist bislang zwar nicht die Ausrottung, aber doch die isolierende Eindämmung des Asiatischen Laubholzbockkäfers gelungen, und Imker trotzen der Varroa­milbe. Leider werde hier nur reduziert, während die dringend notwendige Prävention oder die Förderung von Konkurrenten zu kurz komme. Zudem offenbare die Befragung große Lücken bei der Früherkennung. Überdies erstreckten sich Beseitigungen auf eine zu kurze Zeit und zu enge Räume, was stets zu Mißerfolgen führe. Und schließlich fehle es an der Einbindung der Bevölkerung sowie an der Ausweitung der Vorsorge – gegen großräumig vorkommende Invasoren und auch bisher nur punktuell wahrgenommenen, um sie noch rechtzeitig und kostengünstig zu beseitigen.

„Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland“ in der Reihe Naturschutz und Biologische Vielfalt (Heft 141, Band 1 und 2), herausgegben vom Bundesamt für Naturschutz (BfN):

 www.bfn.de