© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Auffallend, wie sehr man sich bemüht, beim Attentäter von Orlando keinen – islamischen – Hintergrund zu erkennen und bei dem von Birstall einen – rechten – nachzuweisen.

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Man kann natürlich einiges sagen gegen die Banalisierung der Nationalfarben in Zeiten des Fußballspiels. Aber wenn dann die reflexhaften Voten der linken Vaterlandsverächter kommen, wird man ganz milde gestimmt gegen die schwarzrotgoldene Flut.

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Sven Felix Kellerhoff hat in seiner Kolumne zur Weltgeschichte auf eine neue Arbeit zur Geschichte des KZs hingewiesen. Zutreffend werden dabei auch die Vorläufer, insbesondere die Internierungslager während der Indianer- und des amerikanischen Bürgerkriegs, genannt und außerdem die ersten ausdrücklich so bezeichneten „concentration camps“, die die Engländer während der Burenkriege errichteten. Überraschend ist die Feststellung Kellerhoffs, daß nicht nur die Namen, sondern auch die „Opferdimensionen“ beider Lagersysteme übereinstimmten. Allerdings folgt dann die Einschränkung: „Für das mörderische Zwangsarbeits- und Strafsystem der deutschen Einrichtungen gab es in den britischen Lagern keinerlei Entsprechung. Vielmehr handelte es sich um Hungerlager, in denen Menschen mit minimaler Bewachung einem traurigen Ende entgegendämmerten. Ohne Zweifel ein Kriegsverbrechen, das die 1948 verabschiedete Definition des Genozids erfüllte. Schlimm genug und gewiß kein Ruhmesblatt der britischen Geschichte. Aber kein brutales Regime enthemmter Sadisten.“ Das ist eine veraltete Sicht der Dinge, denn die Massentötungen in den deutschen Lagern waren eher eine Folge kalter Effizienzerwägungen. Die wurzelten letztlich in einer stark durch den Sozialdarwinismus geprägten Denkweise. Und die war zuerst in Großbritannien bestimmend geworden, etwa für die Kolonialeliten, die den Angriff auf die Buren um jeden Preis vom Zaun brechen wollten, und auch für Alfred Milner, den politisch Verantwortlichen in Südafrika, der die Errichtung der Lager für die Zivilbevölkerung nur unter dem Aspekt betrachtete, wie schnell sie dazu beitragen würden, den Gegner in die Knie zu zwingen.

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Alain de Benoist meinte gelegentlich, daß die rechte Beschwörung von „Disziplin“ nur auf Kompensationsneigung beruhe. Man könnte aktuelle Beispiele nennen.

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Was die jetzt immer wieder bemühte Aufnahme und „Integration“ der Vietnamesen angeht, die als „boat people“ vor dem kommunistischen Regime geflohen waren, folgende Anmerkungen: Es gab im Hinblick auf die Gewährung von Asyl auf der Linken durchaus die Meinung, daß das „Konterrevolutionären“ zu verweigern sei; Jane Fonda – „Hanoi Jane“ – meinte, man dürfe nicht mit dem Feind paktieren, bei dem evangelischen Theologen Helmut Gollwitzer klang es nicht anders, der Sozialdemokrat Holger Börner machte sich sorgen, weil die Vietnamesen aus einem fremden „Kulturkreis“ kämen. Konkret sah sowieso nur „Schwarzhändler, Zuhälter, und US-Kollaborateure“ und der gefeierte Schriftsteller Peter Weiss meinte: „Um das Leben von 50 Millionen zu schützen, müssen einige Zehntausende, die die Nation gefährden, in Gewahrsam gehalten werden.“ Was die Integration betrifft, wird man wohl eher von einer Art „Unsichtbarwerden“ sprechen müssen. Das heißt, die Betreffenden gliederten sich gerade nicht ein, sondern blieben beieinander, bildeten – unauffällige – Sonderbereiche und beschränkten die Teilhabe auf das (zusätzliche) Erlernen der Landessprache, hohe Leistungsfähigkeit und entsprechenden sozialen Aufstieg. Wahrscheinlich ergibt sich ein ganz ähnliches Bild bei allen Zuwanderern aus dem Raum der alten ostasiatischen Hochkulturen. Was übrigens auch zeigt, daß die Verträglichkeit von Migration nicht nur eine Frage von Nähe oder Distanz der zivilisatorischen Formen ist.

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Konstruktivismus ist nichts anderes als die Maske vor der nihilistischen Fratze.

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„Mit einem freundlichen Gesicht kommt man weit. Mit einem freundlichen Gesicht und einer Waffe kommt man weiter.“ (Al Capone)

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Die Einlassung des Bundesfinanzministers zu den notwendigen eugenischen Maßnahmen, um den Verfall der Europäer qua Inzest zu vermeiden, kann man unter verschiedenen Aspekten werten: als Zynismus eines Technokraten, als Ausdruck ideologischer Flexibilität (es gab Zeiten, in denen Schäuble willens war, die deutsche Nation zu beschwören), als Folge der langfristigen Prägung durch Dieter Oberndörfer, den wichtigsten Ideologen der „offenen Republik“ in der CDU, oder als Anerkennung des historischen Kompromisses mit der Gegenseite, wo man schon länger der Meinung ist, daß „Deutschland von außen eingehegt und innen durch Zustrom heterogenisiert, quasi verdünnt werden“ (Joschka Fischer) müsse.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 8. Juli in der JF-Ausgabe 28/16.