© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

Die Geheimniskrämerei geht weiter
Wirtschaftspolitik: Einführung eines verpflichtenden Lobbyistenregisters erneut verhindert / Vorbild USA?
Jörg Fischer

Daß Regierungsfraktionen Gesetzesentwürfen der Opposition zustimmen, ist selten. Kommt die Initiative von der Linken-Bundestagsfraktion (Drucksache 18/3842), ist der Aufwand von vorneherein vergeblich. Aber auch die entschärfte Grünen-Version für ein „Verbindliches Register für Lobbyistinnen und Lobbyisten“ (Drucksache 18/3920) scheiterte erneut im Bundestag: Gegen die Einführung sprächen „das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie Fragen der Koalitionsfreiheit und der Berufsfreiheit“, argumentierte die ansonsten mehr staatliche Überwachung fordernde Unionsfraktion. Daß die Wähler künftig erfahren sollen, welche ihrer Abgeordneten sich mit welchen Lobbyisten getroffen haben, sei ein „Bürokratiemonster“.

Die SPD-Fraktion hält ein Lobbyistenregister zwar für „grundsätzlich sinnvoll“, hofft aber auf „entsprechende Regelungen“ auf EU-Ebene. Der Verweis auf Brüssel offenbart jedoch, daß es nicht um wirkliche Transparenz geht, denn dann hätte auf Washington verwiesen werden müssen. Warum? In den USA ist Lobbyismus schon seit dem 19. Jahrhundert in der Diskussion. 1938 wurden zunächst ausländische Lobbyisten (Foreign Agents Registration Act) erfaßt. Vor 70 Jahren wurde schließlich der Federal Regulation of Lobbying Act vom US-Kongreß beschlossen und ein umfassendes Lobbyregister geschaffen.

Das Präsidium des Bundestages veröffentlicht erst seit 1973 eine Liste mit registrierten Lobbyverbänden und deren Vertretern – auf freiwilliger Basis. „Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie deren Dachorganisationen“, seien nicht eingetragen, „da sie keine Verbände im Sinne der Anlage 2 der Geschäftsordnung“ des Bundestages seien. Die US-Volksvertreter verschärften hingegen 1995 (Lobbying Disclosure Act) und 2007 (Honest Leadership and Open Government Act) die Transparenzbestimmungen – und die Strafen bei Verstößen dagegen.

Während in der derzeit 2.250 Einträge umfassenden „Öffentlichen Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“ beim Bundestag nur Formalien wie Name, Kontaktdaten oder „Interessenbereich“ verzeichnet sind, wird beim US-Lobbyistenregister genauer hingeschaut: Die offiziell 11.518 Washingtoner Lobbyisten investierten 2015 insgesamt 3,22 Milliarden Dollar, um die Gesetzgebung des US-Kongresses im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen. Die „Top Lobbying Firms“ sind nicht nur Verbände, sondern hochspezialisierte Anwaltskanzleien, Agenturen oder Beratungsfirmen wie Ernst & Young.

Auch „grüne“ Verbände sind harte Wirtschaftslobbyisten

Der offene Umgang entzaubert auch Klischees: Nicht die Waffenlobby oder ausländische Einflußagenten investierten das meiste Geld in die US-Politik, sondern die Gesundheitslobby. 499,3 Millionen Dollar war es Krankenhaus- oder Pharmakonzernen wert, daß die USA auch weiterhin das mit Abstand teuerste Gesundheitswesen der Welt unterhalten. Die Finanz-, Versicherungs- und Immobilienbranche lag mit 485,7 Millionen nur auf Platz zwei. Der zu Zeiten von Dwight D. Eisenhauer noch tonangebende „militärisch-industrielle Komplex“ kam 2015 mit 127,5 Millionen Dollar nur auf Rang acht der zehn wichtigsten Lobbysektoren.

US-Bürger erfahren so beispielsweise, daß der deutsche Allianz-Konzern 2015 2,36 Millionen Dollar in seine US-Lobbyarbeit investierte – über die Fireman’s Fund Insurance. 120.000 Dollar der Allianz gingen an die Lobbyagentur K&L Gates, um die Interessen der Allianz-Fondstochter Pimco politisch zu vertreten. Dem Dax-Konzern Bayer waren seine amerikanischen Interessen sogar 7,65 Millionen Dollar wert. Ob dem VW-Konzern, der voriges Jahr nur 1,27 Millionen in seine US-Lobbyarbeit investierte, mit mehr Geld sein „Dieselgate“ erspart geblieben wäre, ist allerdings reine Spekulation.

Daß Union und SPD ihre Geheimniskrämerei bezüglich der Lobbyisten beibehalten wollen, ist nur teilweise ihren spendenfreudigen Geldgebern anzulasten. Nicht nur Bayer, auch Daimler, Siemens, Telekom oder Thyssen-Krupp haben sich schon 2010 zu mehr Offenheit bereit erklärt. Es dürften daher eher der Finanzsektor und seine politischen Erfüllungsgehilfen sein, die Transparenz à la US-Vorbild scheuen. So wurde 2007 eine Steuergesetzänderung zum Teil fast wörtlich aus einem Lobbybrief des privaten Bankenverbandes (BdB) übernommen. Wer mehr über die Interessenverknüpfung von Politik, Wirtschaft und angeblich neutralen Instituten erfahren will, wird bei dem eher linken Internetportal Lobbypedia.de fündig.

Aber auch bei „grünen“ Verbänden könnte sich bei mehr Offenheit herausstellen, daß sie ebenfalls wirtschaftliche Lobbyarbeit betreiben. Daß der Miniverein Deutsche Umwelthilfe (DUH, gemeldete Mitgliederzahl: 243) sich für „weltweiten Klimaschutz“ einsetzt und deswegen Spenden von Windkraftfirmen erhält, mag stimmen. Auch, daß DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch seine Lufthansa-„Vielfliegerei“ mit internationalen Klimakonferenzen oder dem Pendeln zwischen Bodensee und Berlin erklärt. Aber warum spendete Toyota an die DUH?

Vielleicht weil nach dem 2007 gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland und dem Bund für Umwelt und Naturschutz propagierten „Konzept zur CO2-basierten Kfz-Steuer“ der Toyota Prius mit Hybridmotor nur 41 Euro, der VW Touareg V10 TDI hingegen 2.698 Euro kosten sollte. Toyota bekam ab 2009 einen CO2-Steuerbonus, VW bietet den V10-Diesel nicht mehr an – aber der neue V8 kostet weniger als 700 Euro Kfz-Steuer. Wahrscheinlich, weil der deutsche Autoindustrieverband VDA durch seine Lobbyisten das Schlimmste verhindert hat.

Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern beim Bundestag:  bundestag.de

Lobbying Database USA:  www.opensecrets.org