© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

Die Parteiführung ist entsetzt
USA: Viele Republikaner hadern mit dem Auftreten und den politischen Inhalten Donald Trumps / Demokraten und Libertäre wittern Morgenluft
Manfred Friedrich

Die Liste liest sich wie das „Wer ist wer?“ der Republikanischen Partei. Der frühere Präsident George W. Bush, die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Mitt Romney, zahlreiche Senatoren und Abgeordnete. Sie alle wollen dem Nominierungsparteitag in Cleveland vom 18. bis 21. Juli fernbleiben, auf dem Donald Trump zum Kandidaten ihrer Partei gekürt werden soll. Manche Republikaner gehen sogar noch einen Schritt weiter: Der frühere stellvertretende Außenminister unter George W. Bush jun., Richard Armitage, hat angekündigt, am 8. November für Hillary Clinton stimmen zu wollen. 

Was Trump besonders nachdenklich stimmen muß: Es ist nicht nur das Establishment, das ihn zum unerwünschten Kandidaten erklärt. Zahlreiche Unterstützer seiner unterlegenen Mitbewerber Ted Cruz und Marco Rubio (beides Tea Party-Favoriten) machen seit Wochen unter dem Hashtag #nevertrump (niemals Trump) in sozialen Netzwerken klar, daß sie in Trump noch nicht einmal das kleinere Übel gegenüber der früheren Außenministerin – ein Haßobjekt unter Konservativen – sehen. 

Selbst Islamkritik brachte Trump keine Pluspunkte

Trumps Beliebtheitswerte bewegen sich auf einem historischen Allzeittief. Laut Umfragen haben weniger als ein Drittel der Wähler eine positive Meinung über ihn. Zum Vergleich: Der unterlegene Republikaner Romney hatte vor vier Jahren Zustimmungswerte um die 50 Prozent. 

Für Entsetzen bei der Parteiführung sorgten zuletzt Trumps als rassistisch eingestufte Kommentare über einen im Bundesstaat Indiana geborenen Richter mexikanischer Abstammung. Bundesrichter Gonzalo Curiel sei aufgrund seines mexikanischen Elternhauses befangen und könne somit im Streit um Betrugsvorwürfe gegen „Trump University“ zu keinem fairen Urteil kommen, so der Immobilienmogul. 

Nicht nur der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, der Trump nach dessen Primary-Sieg über Cruz nur widerwillig unterstützt hatte, sprach von nicht hinnehmbaren Aussagen, die die „Textbuchdefinition von Rassismus“ erfüllten. Senator Mark Kirk aus Illinois zog seine zuvor bekundete Unterstützung für Trump daraufhin zurück und sprach dem New Yorker die charakterliche Reife ab, Präsident zu werden. Selbst aus seinem engsten Unterstützerkreis hagelte es Kritik. Der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, bereits als Trumps Vizepräsidentschaftskandidat gehandelt, sprach von „unentschuldbaren Äußerungen“. 

Soviel Kritik von den eigenen Leuten trieb selbst den auf Angriff gepolten Trump in die Defensive. Wenig später ruderte er zurück und entließ seinen Wahlkampfmanager Corey Lewandowski. Selbst Trumps Einlassungen nach dem Massaker von Orlando hatten nicht die Zustimmung der Bevölkerung gefunden. Nur 25 Prozent billigten seine Forderung, Muslime nicht mehr ins Land zu lassen. Präsident Obama dagegen, der in seiner Rede nicht den islamischen Hintergrund des Attentäters erwähnte und die Tat dazu nutzte, strengere Waffengesetze zu fordern, erhielt für seine Reaktion eine Zustimmung von 44 Prozent. 

Den Auftritt von Trumps Herausforderin Clinton, die in die gleiche Kerbe wie Obama schlug, bewerteten immerhin noch 36 Prozent positiv. In allen Umfragen führt sie derzeit vor dem New Yorker Unternehmer. Zwischen fünf und zwölf Prozent variiert je nach Umfrageinstitut ihr Vorsprung. 

Im Windschatten der beiden unbeliebten Kandidaten kann selbst der Kandidat der Libertären Partei, Gary Johnson (JF 16/16), derzeit zwischen neun und elf Prozent erzielen. Gerade Clinton dürfte auf ein starkes Abschneiden des Libertären hoffen. Schon einmal sorgte ein Drittparteienkandidat dafür, daß ein Mitglied der Clinton-Familie ins Weiße Haus einzog: Ross Perot nahm George H.W. Bush sen. bei der Wahl 1992 wichtige Stimmen weg, kam auf 19 Prozent und ebnete so Bill Clinton den Weg ins Oval Office.