© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Hauptsache Minijobs
Integrationsgesetz: Die Bundesregierung spricht vom zukunftsweisenden Durchbruch, die Linkspartei wittert einen „Rassismusmotor“
Christan Schreiber

Fördern und Fordern – unter diesem Motto hat der Deutsche Bundestag in erster Lesung über das Integrationsgesetz beraten. Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Fraktion, zog bereits eine euphorische Bilanz. Damit werde die Debatte beendet, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei, sagte er der ARD. Denn Flüchtlinge erhalten gemäß dem geplanten Gesetz nach drei Jahren eine sichere Niederlassungsperspektive. So soll es unter anderem ein Programm mit 100.000 80-Cent-Jobs  und ein größeres Angebot an Integrationskursen geben. 

Werden verpflichtende Angebote nicht wahrgenommen, sollen Asylbewerbern die Sozialleistungen gekürzt werden. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte das neue Gesetz eine „Zäsur“ für das Land. „Wer zur Integration nicht bereit ist, dem wird es in Deutschland nicht gutgehen.“ Man wolle „keine Ghettos für Menschen, die abhängig sind von Sozialleistungen“, sagte de Maizière. Im Gesetz sind verpflichtende Sprach- und Integrationskurse vorgesehen, für die es auch entsprechende Geldmittel geben werde. Zusätzlich sollen Kitaplätze sowie eine angemessene Schulbildung für Flüchtlingskinder gewährleistet werden. 

Besonders umstritten ist die – von einigen Bundesländern in jüngster  Vergangenheit gerade erst außer Kraft gesetzte – Residenzpflicht, nach der der Staat anerkannten Flüchtlingen künftig unter bestimmten Bedingungen für einen Zeitraum von drei Jahren den Wohnort vorschreiben kann. Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis sollen Flüchtlinge in Zukunft nur noch dann bekommen, wenn sie „ausreichende Integrationsleistungen vorweisen können. „Auf Ihrem Gesetzentwurf mag Integrationsgesetz stehen“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen: „Das ist ein Integrationsverhinderungsgesetz. Das ist ein Rassismusmotor.“ Außer der Residenzpflicht stört die Opposition vor allem die Regelung mit den 100.000 Mini-Jobs. „Das ist die Konkurrenz für Niedriglohnarbeiter, damit will die Regierung die sich abzeichnenden Arbeitsmarktprobleme verschleiern, wenn die Flüchtlinge auf Jobsuche gehen“, kritisierte Dagdelen. 

„Bei den Flüchtlingen ist jegliche Möglichkeit, überhaupt arbeiten zu dürfen, hoch willkommen“, konterte dagegen Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Für sie sei es eine Möglichkeit, sich endlich einbringen zu können. Zur Untätigkeit verurteilt zu sein, sei ihnen verhaßt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete das Gesetz als „Meilenstein“. Der Staat mache Flüchtlingen gute Integrationsangebote, erwarte aber auch, daß sie diese annähmen. Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis sollen Flüchtlinge in Zukunft nur noch dann bekommen, wenn sie ausreichende „Integrationsleistungen“ vorweisen können.

Künftig sollen alle Asylbewerber und Flüchtlinge mit Duldungsstatus leichter arbeiten können: In Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit soll für sie die Vorrangprüfung wegfallen, wonach ein Arbeitgeber bei gleicher Qualifikation einen deutschen Bewerber vorziehen muß. Flüchtlinge sollen ab drei Monaten Aufenthalt in Deutschland auch in Leiharbeit arbeiten dürfen. Eine Ausbildung kann künftig auch derjenige beginnen, der älter als 21 Jahre alt ist, die bisherige Höchstgrenze wird abgeschafft. Wer eine Ausbildung beginnt, genießt für diese drei Jahre einen sicheren Aufenthaltsstatus, wer sie abbricht, riskiert eine Abschiebung. 

Kritiker sehen darin die Gefahr, daß ein Auszubildender den Launen seines Arbeitsgebers willkürlich ausgesetzt sei.  Die kurzfristig anstehenden Kosten werden auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt. Vor allem die Kommunen erhoffen sich aber eine Verbesserung. 

Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Eva Lohse (CDU), lobte in der Neuen Osnabrücker Zeitung vor allem die Wohnsitzauflage. Diese schütze Städte vor Überforderungen und helfe, „soziale Brennpunkte zu vermeiden“. Kritik kam aber von der Lobbyorganisation Pro Asyl. Geschäftsführer Günter Burkhardt hält das Gesetz für  fragwürdig und populistisch. „Es bedient rechte Stimmungen in Deutschland, indem man suggeriert, daß sich Flüchtlinge nicht integrieren wollen.“