© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Umwelt
Frischer Wind
Heiko Urbanzyk

In den Streit um das Aerotoxische Syndrom infolge verunreinigter Flugzeugkabinenluft (JF 14/16 ) kommt frischer Wind. Die Berufsgenossenschaft (BG Verkehr) habe erstmals einen diesbezüglichen Arbeitsunfall einer Flugbegleiterin anerkannt, teilte das Sozialgericht Hamburg mit. Nach einer Klage der Betroffenen habe der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung den Fall am 23. Mai freiwillig als Berufsunfall eingestuft. Wahrscheinlich wollte die BG Verkehr so ein Präzedenzurteil verhindern: „Viele Verfahren, gerade im Ausland, wurden außergerichtlich beendet, die Parteien zum Schweigen verpflichtet, so wurden Präzedenzurteile vermieden, auf die sich Kläger berufen könnten“, hieß es in der Welt. 2013 wurden 300, 2015 schon 450 ähnliche Fälle gemeldet.

Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen keine anerkannte Berufskrankheit?

Die seltenen Urteile zum Aerotoxischen Syndrom sind bisher im Sinne der BG Verkehr ausgegangen. „Kopfschmerzen, Herzpalpitationen, Müdigkeit, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen oder allgemeine Leistungsschwäche sind keine Erkrankungen im Sinne der BK 4302“, urteilte 2015 das Bayerische Landessozialgericht (L2U 430/12). Hinter der BK 4302 der Berufskrankheiten-Verordnung verbergen sich als anerkannte Berufsunfälle „durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben“. Die Bundesregierung und die Luftfahrtbranche wiegeln weiter ab. „Die Aufsichtsbehörden verwalten das Problem nur“, klagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Markus Tressel. „Es gibt nur eine saubere Lösung. Und die heißt weg von abgezapfter Luft aus den Triebwerken.“ Doch das bietet lediglich die Boeing 787. Und Ralf Fücks, Chef der grünennahen Böll-Stiftung, ist lieber Promigast bei Airbus auf der Luftfahrtmesse ILA 2016.