© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Münchner Rück-Tochter Ergo gliedert Lebensversicherung aus
Herr Kaiser schiebt ab
Jörg Fischer

Schon zu D-Mark-Zeiten sollten Sparer lieber nicht auf „Herrn Kaiser“ hören und eine Kapitallebensversicherung (KLV) bei der Hamburg-Mannheimer abschließen. In der Regel war es besser, selbst zu investieren und die Familie über eine Risikolebenspolice abzusichern. Wer 1988 Allianzaktien kaufte und zwölf Jahre – die steuerliche KLV-Mindestlaufzeit – hielt, versiebenfachte sein Kapital. Noch lukrativer war, KLV zu vermitteln und sich über Abschluß- und Bestandsprämien oder gar die boulevardesken „geldwerten Vorteile“ zu freuen.

Immerhin waren KLV – bei einem Höchstrechnungszins von bis zu vier Prozent – oft kein reines Verlustgeschäft, was den jahrelangen Markterfolg erklärt: 2015 gab es noch 68,2 Millionen Verträge, in die 53,4 Milliarden Euro eingezahlt wurden. Doch schon immer gab es auch den Paragraph 89 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, der bei Schieflagen einen teilweisen oder völligen Auszahlungsstopp vorsieht – bei weiterer „Pflicht der Versicherungsnehmer, die Versicherungsentgelte in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen“.

So weit ist es bei der Münchner Rück-Tochter Ergo, die die Hamburg-Mannheimer 1998 komplett übernahm, noch nicht. Aber Finanz- und Eurokrise und die Nullzinspolitik der EZB haben der KLV-Sparte den Todesstoß versetzt. Unter der Überschrift „Fit für den digitalen Wandel“ versteckte sich nun eine weitere Bombe: „Ergo konzentriert sich zukünftig beim wichtigen Neugeschäft mit Altersvorsorgeprodukten in der Lebensversicherung auf nicht-traditionelle kapitalmarktorientierte Produkte und Biometrieangebote“, teilte Vorstandschef Markus Rieß mit. „Die Bearbeitung des Bestands in der klassischen Lebensversicherung trennt Ergo vom vertrieblichen Neugeschäft.“ Sprich: Die etwa 5,2 Millionen Ergo-KLV werden zu einer sogenannten Run-off-Plattform abgeschoben, die die Verträge bis zum Laufzeitende betreut.

Ergo steht damit nicht allein, und der Abwicklungsbeschluß hat eine gute Seite: die immensen Kosten für Vertrieb, Werbung oder Produktentwicklung entfallen, das könnte die schmale KLV-Rendite erhöhen. Aber die Höhe der Überschußbeteiligung – was die KLV attraktiv machte – sei „in der Run-off-Phase kein Wettbewerbselement mehr“, warnt die Versicherungsaufsicht Bafin. Der Abwickler hätte kaum Interesse daran, „den Kunden einen höheren Anteil an den Überschüssen zuzuteilen als nötig“.

Es griffen künftig nur noch die Regelungen der Mindestzuführungsverordnung und der Überschußverordnung sowie die vertraglichen Pflichten. „Kaiserlich versichert“ waren Kunden zwar noch nie, aber nun bleibt nur die vage Hoffnung, daß die Bafin „grenzüberschreitenden Übertragungen“ an renditehungrige Finanzinvestoren nicht zustimmen wird. Denn die haben keine Scheu, den Überschußanteil für die Versicherten besonders „kleinzurechnen“.