© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Schluß mit der Willkommenskultur
Illegale Migration: Österreichs Außenminister setzt eigene Regierung und EU unter Druck / FPÖ kritisiert „Scheinheiligkeit“
Verena Inauen

Österreichs Außenminister weiß, wo seinen Landsleuten der Schuh drückt. Bereits im Frühjahr plädierte Sebastian Kurz (ÖVP) für ein Ende des Durchwinkens illegaler Migranten auf der sogenannten Bal-

kanroute. Überhaupt, so der 29jährige, fehle in der EU der Wille, den „Flüchtlingsstrom deutlich zu reduzieren“. 

Nun legte der ÖVP-Jungpolitiker noch einen drauf. Gegenüber der Presse am Sonntag und der Neuen Zürcher Zeitung stellte er nicht nur klar, daß ein Umdenken in der Einwanderungspolitik von seiten Mitteleuropas dringend notwendig sei, er geißelte zudem die europäische Politik im vergangenen Jahr. Gerade deren „Willkommenspolitik“ habe das Sterben auf den Flüchtlingsrouten nicht verhindert, sondern „begünstigt“.Mehr und mehr Menschen hätten sich auf eine gefährliche Reise begeben. 

Brüssel soll sich Australien zum Vorbild nehmen

Nur eine „konsequente Flüchtlingspolitik“ werde die Zahl der Migranten reduzieren, den Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen und verhindern, daß Menschen ertrinken so Kurz unmißverständlich.

In diesem Kontext plädiert der ÖVP-Politiker dafür, illegale Einwanderer zuerst auf Inseln unterzubringen, um sie in ihre Heimatländer zurückzuschicken. „Wer auf einer Insel wie Lesbos bleiben muß und keine Chance auf Asyl hat, wird eher bereit sein, freiwillig zurückzukehren, als jemand, der schon eine Wohnung in Wien oder Berlin bezogen hat.“ Es müsse klargestellt werden, daß die Rettung aus Seenot nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden sei. 

Überhaupt dürfe die Entscheidung, wer nach Europa kommen kann und wer nicht, „weder an die Türkei noch an Schlepper delegiert werden“, betonte Kurz. Migranten, die nicht auf legalem Weg nach Europa kämen, hätten ihr Recht auf Asyl verwirkt und sollten in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Andernfalls sollten sie in Asylzentren untergebracht werden, „idealerweise auf einer Insel“, wo dann entschieden wird, ob Menschen in die EU einreisen dürfen oder nicht. 

Brüssel solle sich auch Teile des australischen Modells zum Vorbild nehmen. Mittlerweile habe es Australien mit einer breit angelegten Informationskampagne und restriktiven Rückführungsmaßnahmen geschafft, daß kaum mehr illegale Migranten ins Land kommen oder auf der Überfahrt ertrinken. 

Zwar sei das australische Modell  nicht eins zu eins kopierbar, doch die Grundprinzipien seien auch für Europa anwendbar, betonte der ÖVP-Politiker  und verwies dabei darauf, daß Australien freiwillig, nach eingehender Überprüfung, Tausenden Menschen Asyl anbiete. 

Argumente für seine 180-Grad-Wende hält der Jungpolitiker – der noch im März betont hatte, daß „durchschnittliche Zuwanderer von heute gebildeter als der durchschnittliche Österreicher“  seien – ebenfalls parat. So seien seine neuen Pläne weder unsozial noch menschenrechtswidrig, wie etwa die Wiener Integrationsstadträtin Sonja Frauenberger (SPÖ) kritisierte. 

Kurz kontert seiner Amtsnachfolgerin allerdings mit zahlreichen Resettlement-Programmen, woran sich die EU und Österreich beteiligten. Dabei würden tatsächlich vom Krieg Betroffene aus den Gebieten ausgeflogen und auf Zeit in einem sicheren Land versorgt. Von einer Quotenregelung will er dabei jedoch nichts wissen und kritisiert die Pläne der EU, Strafzahlungen an Mitgliedsländer zu verhängen, die jene Aufnahmezahlen nicht erfüllen: „Ich sehe die Gefahr, daß einige wenige mitteleuropäische Politiker glauben, der Mehrheit in Europa Vorschriften machen zu können, weil sie sich moralisch überlegen fühlen.“ 

Vor allem in Österreich schlugen die Wogen hoch. Neben Frauenberger äußerten auch andere SPÖ-Politiker ihren Unmut. Doch die Große Koalition aus SPÖ und ÖVP möchte keiner gefährden. Entsprechend lobte ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald die aktuelle Regierungsarbeit mitsamt der Beibehaltung einer Obergrenze. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) forderte Kurz auf, ein „umsetzbares Konzept“ vorzulegen. „Australien ist für uns ganz bestimmt kein Vorbild“, zitiert der Standard den Kanzler, der in den Aussagen von Kurz jedoch auch interessante „Elemente“ sieht. Auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner mochte seinen Parteikollegen nicht bloßstellen: „Solange das Problem nicht gelöst ist und der Schutz der Außengrenzen nicht funktioniert, darf es keine Denkverbote geben“, unterstrich der Vizekanzler. Dagegen nennt der FPÖ-Generalsekretär und EU-Abgeordnete Harald Vilimsky Kurz’ Aussagen für „unglaubwürdig und scheinheilig“. „Sachlich und inhaltlich“ habe sich nichts an der Willkommenspolitik von SPÖ und ÖVP verändert.