© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Ein Zwilling kommt selten allein
Union: Zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU knirscht es immer noch gewaltig / Trotzdem entbehren die Trennungsgerüchte jeglicher Grundlage
Paul Rosen

CDU und CSU sind wie siamesische Zwillinge miteinander verbunden. Da können sich CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer noch so in den Haaren liegen: Im Ergebnis können sie sich nicht trennen wie ein zerstrittenes Ehepaar. In jeder Beziehung gibt es unterschiedliche Positionen, ohne daß die Beziehung sofort zerbrechen würde. Nur irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem eine Umkehr unmöglich und Scheidung angesagt ist. Im Fall der Schwesterparteien bleibt aber nicht die Trennung, wie der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler allen Ernstes wieder empfahl, sondern nur der gemeinsame Gang in die Bedeutungslosigkeit. 

Die derzeitigen Umfragen machen das deutlich: In Bayern liegt die CSU, was Seehofer mit Stolz jedem erzählt, bei 48 Prozent. In vielen anderen Bundesländern liefert sich die CDU mit der SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen – es geht um jeweils 20 oder 22 Prozent, was von CDU-Politikern nicht so gerne erzählt wird. Das heißt: Die Stimmen für die CSU und deren angeblich merkelkritische Politik stützen in Wirklichkeit das System Merkel – auch deshalb, weil die CSU trotz ihres lauten Alpengrollens in Berlin weitgehend ohne Einfluß ist und von den anderen Koalitionsparteien CDU und SPD einfach ignoriert wird. Sobald dies Seehofers Wählern auffällt, werden auch die CSU-Zahlen zusammenschmelzen. 

Monatelang konnten sich CDU und CSU nicht einmal über den Tagungsort für ein gemeinsames Krisengespräch einigen. Daß es dann ein Bildungszentrum in Potsdam wurde, ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten. In der Zeit davor knallten die Beleidigungen nur so aufeinander: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) warf der CSU vor, die Union zu spalten. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder verlangte wieder gemeinsames Agieren, „dann sind beide stark. Deswegen müssen die wöchentlichen Attacken aufhören“. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gab der CSU die Alleinschuld für den Streit: „Die Formulierung ‘Streit zwischen Merkel und Seehofer’ muß ich zurückweisen – es sind Attacken gegen Merkel.“ Wie in der Union miteinander umgegangen werde, „ist ziemlich einseitig: Es gibt nichts Vergleichbares aus der CDU gegenüber der CSU“, kritisierte der Finanzminister. 

Kritik an Merkel gilt        als Majestätsbeleidigung

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, äußerte die „feste Überzeugung, daß diese fast wöchentliche Kritik aus München der Union insgesamt schadet“. 

Die Bayern konterten mit gleicher Härte: Seehofer ließ via Bild verbreiten, es gebe ein Komplott im Kanzleramt, wo es Kräfte gebe, die die CSU als „Fehlkonstruktion“ bezeichnen würden. 

Das ist eine Anspielung auf Kanzleramtschef Peter Altmaier, den „Spiritus rector“ einer schwarz-grünen Koalition 2017, gern auch zusammen mit der SPD. Finanzminister Markus Söder will zwar Seehofer beerben, vermeidet aber zur Zeit jeden Affront gegen den Ministerpräsidenten. 

Im Gegenteil, Söder stellt sich demonstrativ hinter seinen Parteichef: „Die CDU verliert, nicht die CSU“, stellte er fest. Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer ging die Schwesterpartei hart an: „Die CDU muß wieder auf einen bürgerlichen Kurs zurückgeführt werden. Wenn die CDU nicht mehr für eine bürgerliche Politik stehe, drohten Verhältnisse wie in Österreich: „Dies wollen wir in Deutschland nicht haben, weil dies zu einer Spaltung des Volkes führt.“ Jüngste Versöhnungsgesten von Seehofer sollten nicht zu ernst genommen werden. 

Frühere bayerische Ministerpräsidenten mischten sich ebenfalls ein. Günther Beckstein etwa kritisierte, die „andere Seite (gemeint ist die CDU) reagiere „schlichtweg“ nicht auf bayerischen Erklärungen. Das ist ein gewichtiger Vorwurf, der zeigt, daß die CDU der kleineren Schwester jeden Dialog verweigert – von der Erbschaftsteuer bis zur Flüchtlingspolitik. Jede kritische Bemerkung wird sofort als Majestätsbeleidigung von Merkel interpretiert. 

Weiter ging Edmund Stoiber: Die CSU wolle Mehrheitspartei sein und alle Schichten ansprechen. „Die CDU will ganz offensichtlich vor allem Koalitionspartei sein und sich mit einem schmaleren politischen Spektrum begnügen.“ Stoiber verlangt von der Union, sich wieder auf ein Mitte-Rechts-Spektrum zu verbreitern: „Die Mitte allein ist für zwei Volksparteien zu schmal.“ Dafür erscheint es schon zu spät. Der Platz direkt rechts neben der Union ist inzwischen besetzt.