© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Umwelt
Politische Stickoxide
Jörg Fischer

In Amerika, China oder Japan sind Diesel-Pkw Exoten. In Deutschland war das, trotz Peugeot und Mercedes, kaum anders – doch 1976 lief der erste Golf Diesel vom Band. Der 50-PS-Wagen war zwar lauter, langsamer und teurer als der Benziner, aber im Spritverbrauch um ein Viertel sparsamer. Deshalb hatten schon zwei Jahre später 38 Prozent der Golf-Modelle einen Selbstzünder. Die Konkurrenz zog nach, die Politik befeuerte den Trend: Diesel ist eigentlich teurer als Benzin, doch ab 1989 drehten die Unions-Finanzminister Gerhard Stoltenberg und Theodor Waigel an der Steuerschraube. Seit 1994 beträgt der Benzinaufschlag 43 Pfennige be­zie­hungs­wei­se 22 Cent pro Liter. 1996 waren schon 15 Prozent des Pkw-Bestands Diesel. Der Abgastest ab 1993 und die höhere Kfz-Steuer konnten den Preisvorteil nicht ausgleichen – 2015 entschied sich fast jeder zweite Deutsche beim Neuwagenkauf für einen Diesel.

Für Normaldiesel drohen wegen der Abgasprobleme früher oder später Fahrverbote.

Doch VWs „Dieselgate“ und ähnliche Abgas-Tricksereien der Konkurrenz haben Spuren hinterlassen – zumindest bei den Käufern deutscher Premiumautos: Der Anteil der Dieselverkäufe ist in den ersten vier Monaten von 61 auf 57,6 Prozent gesunken. Bei Porsche betrug das Minus 5,3 Prozent, bei BMW 4,4, bei Mercedes 3,5 und bei VW 3,3 Prozent. „Die Käufer glauben nicht mehr an den sauberen Diesel“, erklärte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Center Automotive Research (CAR) der Uni Duisburg-Essen, im Handelsblatt. Aber warum haben dann Fiat, Ford oder Nissan mehr Diesel verkauft? Vielleicht denken andere Autokäufer einfach nur weiter: Das Problem Stickoxid (NOX) läßt sich durch teure Zusatztechnik (Harnstofftank, NOX-Speicherkat) nur lindern. Und was ist mit dem Feinstaub? Für Normaldiesel und Benzindirekteinspritzer drohen früher oder später Fahrverbote. Ist das Panikmache? Nein, die Erfahrung „Umweltzone“, die Diesel ohne grüne Plakette aussperrt.