© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Grüße aus London
Multireligiöser Siegeszug
Derek Turner

Seit einem Monat hat London  seinen neuen Bürgermeister. London? Die Stadt ist so unterschiedlich wie die beiden Kandidaten, die sich um den Posten stritten. Auf der einen Seite Zac Goldsmith, der in Eton ausgebildete Sohn des Milliardärs Sir James Goldsmith, ist Abgeordneter der Konservativen eines gut betuchten Wahlkreises im Westen der Stadt. Sadiq Khan hingegen war Abgeordneter der Labour Party für den trostlosen Stadtbezirk Tooting im Süden Londons. 

Zwei Welten. Doch die eine verblaßt zusehends. London entwickelt sich in zunehmendem Maße zu einer Arbeiterstadt. Selbst die stets „weißen“ Außenbezirke verändern sich aufgrund der Zuwanderung rapide. Entsprechend hat fast ein Fünftel der Labour-Abgeordneten einen Sitz in London.

Sadiq Khan betont gern, er sei „Agnostiker“. Er geht aber auch gern in die Moschee.

Dennoch schien Goldsmiths Background in einer so prosperierenden Stadt auch nicht gerade von Nachteil zu sein – London hatte schließlich zweimal hintereinander den nahezu ebenso vermögenden Boris Johnson zum Bürgermeister gewählt. Doch Goldsmith besaß nicht die Medienpräsenz und den lockeren Umgangston Johnsons. Zudem schienen seine Berater offenbar davon ausgegangen zu sein, daß viele Londoner nach den Bombenanschlägen vom 7. Juli 2005 keinen Moslem wählen würden, vor allem keinen, dessen Parteichef sich für einen Dialog mit der Hamas und der Hisbollah stark gemacht hatte. Goldsmiths Gefolgsleute hoben besonders die Religion Khans hervor, warnten hinduistische Wähler sowie Angehörige der Sikh-Religion vor Steuern auf Erbstücke, erinnerten sie an Khans Abneigung gegenüber der Polizei und auch daran, daß er mit radikalen Moslems politische Plattformen teilte. Khan hatte gar erklärt, er sei „Agnostiker“, obwohl er regelmäßig die Moschee aufsucht. Typisches „dog-whistling“ – der „Hundepfiff“, der zunächst nur für bestimmte Wählerschichten hörbar ist, während andere nichts „Verdächtiges“ darin erkennen.

Am Ende siegten also Immigranten und politisch korrekte Weiße über die weißen „Fürchter“ und „Zitterer“ mit 56,7 Prozent gegenüber 43,1 Prozent. 

Viele der politischen Strategien Khans werden zwar gemäßigt oder sogar angemessen ausfallen. Doch wer die Lage langfristig beurteilt, erkennt die Symbolik in diesem ersten muslimischen Bürgermeister und seiner „multireligiösen“ Zustimmung in der Londoner Southwark Cahedral – auf der mittelalterlichen Straße gelegen, die nach Canterbury führt.