© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Mehr heimelig als heimlich
Bilderberger: Mythen umranken die Konferenzen der Wirtschaftsbosse und Top-Politiker. Dieses Jahr findet das elitäre Treffen in Dresden statt
Michael Paulwitz

Sie gelten als Geheimniskrämer und sie tagen gern an zurückgezogenen Orten. In diesem Jahr machen die „Bilderberger“ eine Ausnahme und führen ihre Konferenz mitten in der sächsischen Landeshauptstadt durch. Das „Bilderberger“-Treffen im exklusiven Grand Hotel Taschenberg-Palais vom 9. bis 12. Juni hat eine politische Kontroverse um Inhalte, Tragweite und Kosten der Beratungen ausgelöst.

Die Konferenz selbst ist zwar privat organisiert, aber zumindest die „Kosten der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ werden am Freistaat Sachsen hängenbleiben, teilte das Staatsministerium des Inneren auf Anfrage eines AfD-Landtagsabgeordneten mit. Die dürften nicht unerheblich werden. Nicht nur, weil die „Pegida“-Stadt Dresden sich auf eine intensive Demonstrationswoche einstellen muß: Insgesamt zwanzig Protestkundgebungen unterschiedlicher Gruppen von rechts bis links sind für die vier Tage des Treffens angemeldet. Auch im Vorfeld kam es schon zu Protesten, unter anderem durch ein Bündnis „Weißer Rabe Deutschland“, dem auch ein „Legida“-Mitgründer angehören soll.

Die Polizeiführung plant Medienberichten zufolge mit mehreren Hundertschaften; auch ein hoher Sicherheitszaun, der für die G7-Finanzministerkonferenz im vergangenen Jahr angeschafft worden war, soll vor dem Taschenberg-Palais wieder zum Einsatz kommen. Unter den rund 150 hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Militär, Medien und Finanzwelt, die zu dem Treffen erwartet werden, befindet sich eine Reihe sogenannter „Schutzpersonen“, die eigens abgesichert werden müssen.

Ex-EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wird in diesem Jahr ebenso in Dresden erwartet wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Aus den Niederlanden reist Staatsoberhaupt König Willem Alexander an; sein Großvater, Prinz Bernhard, war 1954 Gastgeber des ersten Treffens in seinem „Hotel de Bilderberg“, von dem die Konferenz ihren Namen erhielt. 

Während 2015 nur drei deutsche Gäste überhaupt teilgenommen hatten – Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die Verlagsbosse von Gruner+Jahr und Springer –, wird der Reisekostenetat der Bundesregierung diesmal stärker belastet: Außer von der Leyen sollen auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU) bereits zugesagt haben. Ob Angela Merkel, die schon 2005 teilgenommen hatte, und ihr Kanzleramtsminister Peter Altmaier ebenfalls erscheinen, ist noch unklar. 

Korpsgeist statt               konkreter Beschlüsse

Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben, wohl mit Rücksicht auf die Stimmung in der SPD, abgesagt, ebenso Grünen-Chef Cem Özdemir, der „andere Termine“ hat und dabei wohl auch die Aufregung um die Teilnahme von Jürgen Trittin vor vier Jahren vor Augen hatte. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) darf immerhin zu einem Abendessen kommen; er ist ebenso wie Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) begeistert vom Besuch der Bilderberger.

Die Landtagsfraktion der oppositionellen AfD kritisiert dagegen, daß eine „intransparente Geheimkonferenz auf Kosten der Steuerzahler“ abgehalten werden solle. „Unter strenger Geheimhaltung werden hier Weichen für politische und wirtschaftliche Entwicklungen gestellt und die demokratische Mitbestimmung der nationalen Parlamente ausgehebelt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Auch die sächsische Linkspartei hält die Bilderberg-Konferenz für „inakzeptabel“ und „eine absolut vordemokratische Veranstaltung“.

Der Ruch der Kungelrunde haftet den Treffen seit ihrer Geburtsstunde an, bei der auch CIA-Verbindungen der Initiatoren Pate standen. Dazu trägt auch ein regelrechter Geheimhaltungskult bei. Eine Internetseite gibt es erst seit kurzem. Teilnehmerlisten und Gesprächsthemen werden erst kurz vor den Treffen veröffentlicht. Anders als zum Beispiel der Davoser Weltwirtschaftsgipfel verzichten die Bilderberger auch auf Marketing, Begleitprogramme und Pressekonferenzen. Dem Lenkungskomitee gehören Finanz- und Wirtschaftsbosse wie Deutsche-Bank-Manager Paul Achleitner, Airbus-Chef Thomas Enders und Goldman-Sachs-Aufsichtsrat Robert Zoellick an. Vorsitzender ist AXA-Chef Henri de Castries, Sproß einer alten französischen Adels-, Offiziers- und Diplomatenfamilie.

Offiziell versteht sich die Bilderberg-Konferenz als Forum für informellen und vertraulichen Gedankenaustausch. Nach den Regeln des britischen „Chat-ham House“-Clubs dürfen Informationen zwar verwendet, aber niemand namentlich zitiert werden. Konkrete Beschlüsse und detaillierte Agenden gebe es nicht. 

Daß die Treffen geeignet sind, einen Korpsgeist transatlantischer Wirtschafts-, Finanz-, Medien- und Polit-eliten zu stärken, liegt dennoch auf der Hand. Ob Teilnehmer sich von anderen auf Linie bringen lassen – wie Kritiker mutmaßen – oder selbst eigene Interessen und Standpunkte einbringen, hängt letztlich von ihrer persönlichen Souveränität ab. 


 www.bilderbergmeetings.org