© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Torte statt Worte
Linkspartei: Nach der Tätlichkeit gegen die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht auf dem Parteitag in Magdeburg blieb die Kritik an ihr zahm
Christian Schreiber

Sinkende Mitgliederzahlen und schwache Wahlergebnisse haben der Linkspartei in den vergangenen Monaten arg zugesetzt. Zudem belastet die Postkommunisten ein erbitterter Streit um den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik und den Umgang mit der Alternative für Deutschland. Dementsprechend rustikal ging es auf dem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende in Magdeburg zur Sache.  

Die Versammlung hatte noch gar nicht richtig begonnen, als es zum Eklat kam. Ein sogenannter Aktivist aus dem antifaschistischen Spektrum warf der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht in der Magdeburger Messehalle eine Torte an den Kopf. Peinlich für die Partei: Der Werfer war offenbar im Besitz einer Presseakkreditierung für das linksradikale, antideutsche Magazin Straßen aus Zucker, welches von der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung finanziell unterstützt wird. Auf Flugblättern wurde die Attacke mit Wagenknechts Kurs in der Flüchtlingspolitik begründet. Eine selbsternannte „Antifaschistische Initiative“ verglich sie mit der AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die im Februar ebenfalls mit einer Torte beworfen worden war.

„Schlimmer als die ganze Torte finde ich die Beleidigung, mit Frau von Storch auf eine Ebene gestellt worden zu sein“, erklärte Wagenknecht anschließend gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.  Die Wortführerin der Partei-Linken, die die Attacke ohne größere Beeinträchtigung überstand, wurde daraufhin zum Star der Zusammenkunft. Eine öffentliche Aufarbeitung ihrer Äußerungen in der Flüchtlingsdebatte fand nicht statt. Wagenknecht forderte stattdessen einen grundlegenden Politikwechsel in Deutschland. Union und SPD hätten mit der Zerstörung sozialer Sicherungssysteme ein Klima geschaffen, in dem es nun „Potential für Rechts“ gebe. Der AfD warf sie vor, Teil des „neoliberalen Parteienkartells“ zu sein. Widerspruch erntete sie allerdings für ihre Aussage, die Linkspartei sei auch auf Bundesebene koalitionsfähig. 

Den Vorstoß ihres Vorgängers Gregor Gysi für einen rot-rot-grünen Kanzlerkandidaten tat die Fraktionsvorsitzende allerdings als absurd ab: „Wenn der SPD-Vorsitzende Jeremy Corbyn oder Bernie Sanders heißen würde, wäre ein gemeinsamer Kanzlerkandidat eine tolle Idee. Aber wir können uns die SPD nicht backen. Sie ist, wie sie ist.“ Dafür erhielt Wagenknecht ebenso viel Applaus wie ihr Kollege als Fraktionschef, Dietmar Bartsch, der meinte: „Es liegt ein Mehltau über dem Land. Versagen, Vertuschen, Verschleppen – die Große Koalition ist nicht gut für unser Land und auch nicht gut für Europa“, rief der zum realpolitischen Flügel der Partei gehörende Bartsch. 

Angesichts der Erfolge der AfD und des Verlusts vieler Wählerstimmen äußerte Bartsch aber auch kritische Worte. Die Linke dürfe nicht nur dagegen sein, sondern müsse auch sagen, wofür sie stehe. In der Flüchtlingspolitik hätten Menschenrechte Vorrang vor nationalem Kalkül. „Die Außengrenzen Europas sind zu Massengräbern geworden“, sagte Bartsch. Zudem habe Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem von ihr gewollten Abkommen zwischen der Türkei und der EU die Menschenrechte zur Verhandlungsmasse gemacht.

Die chronische Unzufriedenheit vieler Delegierter bekamen dagegen die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zu spüren, die bei ihrer Wiederwahl ohne Gegenkandidaten ein schlechteres Ergebnis als vor zwei Jahren erzielten. Kipping erklärte in ihrer Rede, die Linke müsse wieder „widerständiger und frecher“ werden. „Reichtum ist teilbar“, rief der Co-Vorsitzende Riexinger und so  beschlossen die Delegierten auch Forderungen wie eine Mindestsicherung und Mindestrente von 1.050 Euro. Doch dies war eher Formsache denn Motivationshilfe. 

Nach dem Rückzug ihrer prominenten Führungsfiguren Gregor Gysi und Oskar Lafontaine wirkte die Partei in Magdeburg orientierungslos. Lafontaine, Lebensgefährte von Wagenknecht, nahm zwar am Parteitag teil, vermied aber größere Wortmeldungen. Gysi verzichtete auf eine Anreise, weil ihn die Parteiführung nicht auf die Rednerliste setzen wollte. „Die Partei ist saft- und kraftlos“, hatte er zuvor in einem Interview gesagt. Die Versammlung konnte diesen Eindruck nicht entkräften.