© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

Einmal Scotch, bitte!
Ein geistiges Getränk gegen den Sog der Zeit: Der Whisky als Lehrer für Achtsamkeit, Muße und Maß
Stefan Blankertz

Wer einen Whisky-Ratgeber in die Hand nimmt, einer trägt sogar den Titel „Whisky-Bibel“, erwartet neben einer mehr oder weniger in allen Büchern ähnlichen Einführung in das Drum und Dran vor allem eines: eine Beschreibung und Bewertung von Destillerien und Marken. Da der Whisky-Markt gerade im Segment der eigenwilligen Single Malts, die als das individuelle Erzeugnis einer einzigen Destillerie sich der Massenproduktion ein Stück weit entziehen, ständig in Bewegung ist, veraltet solch ein Ratgeber meist schneller, als er gedruckt werden kann.

Das Buch des „Whisky-Vikars“, wie der Autor und katholische Priester Wolfgang F. Rothe in Fachkreisen scherzhaft genannt wird, überrascht und überzeugt auf besondere Weise. Wer annimmt, nicht viel Neues zu erfahren, wird angenehm überrascht. Das Gegenteil war der Fall. Über drei Abende habe ich es gebannt fast Wort für Wort gelesen und viele Passagen mit einem wundervollen Highland Park Svein im Glas, den ich bis dato nicht kannte, zweimal angeschaut. Denn das, was der Autor zu sagen hat, ist faszinierend; selbst die Grundlagen des Whiskys, dessen Herkunft aus dem iro-schottischen Mönchtum noch während des ersten christlichen Jahrtausends und seine individuelle Herstellung, erzählt Rothe damit auf eine erfrischend andere als die gewohnte Weise.

Die Fülle der Schöpfung    in einem Glas

Dem Anfänger gibt er zwar auch einige Tips, mit welchen Marken und Sorten er beginnen könnte (manch einer würde andere auswählen, die Geschmäcker und Vorlieben sind verschieden), aber vor allem leitet er den Leser an, die Welt der Spiritualität des Whiskys zu entdecken. Im Gälischen „uisge beatha“ genannt, das die englische Sprache zu „Whisky“ umschliff, heißt die Spirituose nicht von ungefähr „Wasser des Lebens“. Wurde die Flüssigkeit ursprünglich als Basis für medizinische Tinkturen und zur Schmerzlinderung und Reinigung verwendet, hat sie doch darüber hinaus auf eigentümliche Weise mit dem Reich Gottes zu tun, und das nicht nur, weil die Rauchabzüge der schottischen Destillerien entfernt an Kirchtürme erinnern.

Immer sympathisch und niemals aufdringlich, wird hier die Mission des geistlichen Autors, der in München als Seelsorger tätig ist, mit zunehmender Lektüre klarer und leuchtet schließlich nach anfänglichem Befremden ein: Es gibt eine Art Co-Evolution von katholischer Kirche und Whisky, sowohl geschichtlich als auch von der Intention her gesehen. Whisky ist ein Produkt von großer Kenntnis, sorgfältiger Herstellung, Reifung und damit dem Verstreichen von Zeit – das hochgeistige Getränk lagert mindestens drei Jahre lang, typischerweise aber zwölf Jahre, oft auch länger. So sollte er auch genossen werden – mit Augen, Nase, Mund sowie dem Herzen, mit Achtsamkeit alle Sinne einsetzen, den Genuß des Augenblicks mit der Erfahrung von Ewigkeit und Vergänglichkeit verbinden und das richtige Maß einhalten. Nicht aus Genußfeindlichkeit, sondern um sich genußfähig zu halten. Im Whisky, so ist Rothe überzeugt, steckt die wunderbare Vielfalt und Fülle der Schöpfung in konzentrierter, eben destillierter Form. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh. 10, 10) – Gott ist ein Gott des Lebens, er ist das Leben selbst!

„Der menschliche Leib mit seiner Fähigkeit zu sinnlichen Wahrnehmungen und sinnlichen Freuden“, schreibt Rothe, „ist das von Gott gewollte Mittel menschlicher Existenz. Jede echte Spiritualität muß darum im wahrsten Sinne des Wortes gesund, das heißt lebensbejahend, lebenstauglich und dem Leben förderlich sein.“ Diese Bemerkung stammt aus dem Schlußkapitel des Buches („Eine wichtige Nachbemerkung“), in dem Rothe die Gefahren des Alkoholkonsums – Whisky zu trinken heißt nun mal unweigerlich, Alkohol zu konsumieren – nicht verschweigt. Gerade hier zeigt sich, wie ernst es ihm mit der Spiritualität des Whiskys ist. Das richtige Maß für sich zu finden, mit dem Genuß von Whisky seine sinnliche Erfahrung zu bereichern, ohne den eigenen Körper zu überfordern oder gar zu schädigen, lehrt den achtsamen Umgang mit den Gaben, die Gott uns an die Hand gibt. Wer sich durch unachtsamen Überkonsum taub macht für die Schönheit des Lebens, mißachtet durch seinen Körper Gott.

Für den, der die Spiritualität des Whiskys entdecken möchte, ist das Büchlein mit vielen schön anzuschauenden Fotos Gold wert. Es lehrt den Anfänger, sich gleich mit der geeigneten Haltung diesem kostbaren Getränk zu nähern. Und demjenigen, der den Whisky schon kennt, eröffnet das Buch einen neuen Zugang. Gratias dem Whisky-Vikar!

Wolfgang F. Rothe: Wasser des Lebens. Einführung in die Spiritualität des Whiskys. EOS Verlag, St. Ottilien 2016, gebunden, 160 Seiten, 19,95 Euro