© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

Frisch gepresst

Wolfskinder. Der „Untergang des Abendlandes“ ist kein Märchenbuch aus der Feder des vor achtzig Jahren verstorbenen Doktor Spengler. Er ist machbar, und er hat auch schon stattgefunden. In Ostdeutschland, jenseits von Oder und Neiße, zwischen 1945 und 1950. Die schlimmsten Verheerungen erlitt dabei das von Stalin als Kriegsbeute vereinnahmte nördliche Ostpreußen. Wie es in diesem weitgehend von Deutschen „gesäuberten“, gegen den Rest der Welt hermetisch abgeriegelten Totenland zuging, erfuhr man in den 1950ern nur von einigen deutschen „Spezialisten“, die bis 1948 vor allem in Königsberg zurückgehalten wurden. Erst nach dem Mauerfall öffnete sich ein ganz anderer Erfahrungsraum, als die „Wolfskinder“ mediale Aufmerksamkeit erregten, minderjährige Deutsche, die auf der Flucht oder nach der Besetzung durch die Rote Armee von ihren Eltern getrennt worden waren, und von denen die meisten in Litauen überlebten. Ihr Schicksal erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet zu haben, ist das Verdienst von Christopher Spatz, der 2015 an der HU Berlin über die ostpreußischen Wolfskinder promovierte. Seine Dissertation beruht auf 50 biographischen Einzelinterviews und Quellen bislang unbeachteter Archive wie denen des Deutschen Roten Kreuzes. Da Spatz die Betroffenen ausführlich zu Wort kommen läßt, ist eine objektive und doch lebendige, den Leser emotional oft an Grenzen führende Darstellung eines vergessenen Kapitels deutscher Zeitgeschichte entstanden. (ob)

Christopher Spatz: Ostpreußische Wolfs-kinder. Erfahrungsräume und Identitäten in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Fibre Verlag, Osnabrück 2016, gebunden, 239 Seiten, 29,80 Euro





Migrationsströme. Der in Bremen lehrende Politikwissenschaftler Stefan Luft beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Migration nach Deutschland. Dabei hat er ebenso vor multikulturellen Visionen gewarnt wie auch der Verweigerungshaltung vor dem Faktum einer „Einwanderungsgesellschaft“ widersprochen. Nun widmet er sich faktenreich der jüngsten Massenmigration unter dem Banner der „Flüchtlings“-Rettung. Dabei sieht er einen der entscheidenden „Pull-Faktoren“ für Migranten, nämlich einen „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zu bieten, ausgerechnet durch die kopflose bundesdeutsche Politik seit dem Herbst 2015 aufs Spiel gesetzt. (bä)

Stefan Luft: Die Flüchtlingskrise. Ursachen, Konflikte, Folgen. Verlag C.H. Beck, München 2016, broschiert, 128 Seiten, 8,95 Euro