© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Die Erinnerung aus Stein verewigen
Wiederbelebung der Geschichte: In Sedan soll ein Denkmal für gefallene deutsche Soldaten des Ersten Weltkrieges restauriert werden
Katharina Puhst

Es gilt, „die einzigen Zeugen der deutschen Präsenz in Sedan“ zu erhalten, betonte Jean-Marc Todeschini, der französische Staatssekretär für Kriegsveteranen und Gedenkkultur, gegenüber der Regionalzeitung L’Ardennais, als er Ende Januar dieses Jahres offiziell die Restaurierung eines deutschen Denkmals ankündigte. Auf dem Sedaner Friedhof Saint-Charles ragt aus dem Ersten Weltkrieg im Gedenken an die gefallenen deutschen Soldaten ein Monument empor. 1915 erbaut und permanent der Witterung ausgesetzt, wurde das Bauwerk marode, so daß es zum Schutz der Besucher abgesperrt werden mußte (JF 2/14). Jahrelang diskutierte und plante die französische Stadt seinen Abriß.

„Wir haben keine Zeugen mehr“

Für Todeschini bedeutet die Erhaltung des Denkmals die Bewahrung der Erinnerung an die einst dort begrabenen deutschen Soldaten, die heute auf dem Soldatenfriedhof Noyers-Pont-Maugis ruhen. „Wir haben keine Zeugen mehr, die französischen Frontsoldaten sind seit etwa zehn Jahren verschwunden. Wir müssen die Erinnerung aus Stein verewigen und sie darlegen“, sagte der Staatssekretär gegenüber dem französischen Sender France 3. Den miserablen Zustand des Steintempels begründet die Unterpräfektur Sedan damit, daß dieser in hundert Jahren mangels Interesse nie gepflegt wurde.

Der Staat werde sich laut Todeschini an den veranschlagten Gesamtkosten von 280.000 Euro beteiligen, wenngleich die Höhe der finanziellen Hilfe noch nicht feststehe. Allerdings sei mit höchstens 25 Prozent, also 70.000 Euro zu rechnen, heißt es seitens der Unterpräfektur Sedan. Die Hauptträger werden die Kommunen bleiben. Mit Hilfe von Subventionen, Fördervereinen und Privatspenden hofft Bürgermeister Didier Herbillon die erforderlichen Kosten decken zu können. Er selbst versprach für die Restaurierung eine Beteiligung von 14.000 Euro. Das sind 1.000 Euro mehr als die 2012 für den Abriß geplante Summe. Damals weigerte er sich vehement, auch „nur einen einzigen Cent mehr zu zahlen“, berichtete die linke Tageszeitung Libération.

Sedan erhofft sich auch von Deutschland eine finanzielle Unterstützung, ergab die Nachfrage bei der Unterpräfektur. Andreas Klaßen, deutscher Botschafter in Paris, der bei der Ankündigung im Januar ebenfalls anwesend war, signalisierte Interesse. „Unsere Völker haben verstanden, daß wir unsere Wunden und Erniedrigungen der Vergangenheit hinter uns lassen müssen, um gemeinsam eine auf Europa gerichtete Zukunft zu erbauen“, sagte er. Das bedeute jedoch nicht, daß die Vergangenheit vergessen werden dürfe. Klaßen: „Die Aufarbeitung der Vergangenheit muß den nachfolgenden Generationen weiter vermittelt werden, damit sie die Bedeutung  der deutsch-französischen Versöhnung verstehen.“

Sedans Bürgermeister spricht laut L’Ardennais inzwischen sogar von einer Wertevermittlung: „Es ist eine Art, unseren Kindern zu zeigen, daß unsere Werte einen Preis haben. Diejenigen, die ihr Leben für die Verteidigung unserer Rechte ließen, stehen fortan Wache.“ Diese Worte dürften im Sedaner Stadtrat Verwunderung hervorgerufen haben, denn vor vier Jahren noch hatte Herbillon wenig Interesse an einer Restaurierung gezeigt und das Denkmal als „Provokation“ betitelt, hieß es in der Libération. „Ehrlich, um mich herum kenne ich niemanden, der sich für dieses Monument interessiert (...) Außerdem bin ich Kunsthistoriker und bezweifle seinen Wert als Kulturerbe“, hatte er hinzugefügt und gleichzeitig auf andere Bauwerke verwiesen, denen Sedan Priorität zuschreibe.

Ein Datum für den Beginn der Restaurierungsarbeiten steht noch nicht fest.