© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Ein nicht vermehrbares Gut
Landwirtschaft: Während die Weltbevölkerung weiter zunimmt, erweist sich nutzbare Anbaufläche schon heute als begrenzender Faktor / Steigende Pachten
Christian Baumann

Geht es um die weltweiten Agrarflächen, prophezeien Wissenschaftler ein düsteres Szenario: Die Bodenqualitäten werden abnehmen, die Erträge nur noch geringfügig steigen, Dünger wird knapp und immer mehr Felder und Wiesen werden überbaut werden. Alleine in Deutschland beträgt der Bodenverlust durch Siedlungs- und Verkehrsprojekte laut Umweltbundesamt täglich über 70 Hektar, was mehr als 100 Fußballfeldern entspricht. Global gehen jährlich zehn Millionen Hektar Ackerfläche verloren – also etwa 14 Millionen Fußballfelder.

Dabei ist Boden essentiell für die Gewinnung von Rohstoffen, Nahrungs- und Futtermitteln ist. Und dies um so mehr, da die landwirtschaftlich nutzbare Fläche – fünf Milliarden Hektar sind es weltweit – nicht beliebig vermehrt werden kann und relativ zur wachsenden Weltbevölkerung sogar abnimmt. So konnten statistisch gesehen im Jahr 1960 jedem Erdenbürger etwa 4.400 Quadratmeter Fläche zugeteilt werden. Im Jahr 2050, wenn knapp zehn Milliarden Menschen unsere Erdkugel bevölkern, wird sich diese Fläche auf nur noch 1.500 Quadratmeter reduziert haben.

Da eine Ausdehnung der Agrarflächen laut der Weltgesundheitsorganisation WHO – bei schwerwiegenden Eingriffen in Wald- und Graslandgebieten – nur unverhältnismäßig wenig Ertrag bringt, müssen immer höhere Erträge auf den bestehenden Flächen erwirtschaftet werden. In erster Linie gilt das für Weizen, Mais und Reis. Das Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Landnutzung wird daher noch mehr an Stellenwert gewinnen, und die Konkurrenzsituation zwischen der Erzeugung pflanzlicher Nahrungsmittel und alternativen Energien aus Pflanzenmasse wird sich weiter verschärfen. Auch wird jene Diskussion an Fahrt gewinnen, bei der es um die im Grunde unökonomische Verwertung pflanzlicher Nahrungsmittel wie etwa Getreide für landwirtschaftliche Nutztiere zur Erzeugung von Fleisch geht.

Gute Ackerböden kosten 60.000 Euro pro Hektar

Daß vor diesem Hintergrund die Preise für Agrarflächen kein Halten mehr kennen, ist nachvollziehbar. In Deutschland sind sie zwischen 2005 und 2013 um fast 90 Prozent gestiegen. 40.000 Euro für einen Hektar Ackerland sind gängig. In Gegenden, wo Biogas und Milchviehhaltung miteinander konkurrieren und die Bodenqualität hoch ist, sind 60.000 Euro aufwärts die Regel. Zur Freude für den Eigentümer – zum Grauen für Käufer und Pächter, die im bundesweiten Durchschnitt in den letzten drei Jahren bis zu zwanzigprozentige Pachterhöhungen hinnehmen mußten. 

Ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen, solange die Boden- bzw. Flächenqualität in puncto Marktnähe, Infrastruktur und Bodenbewertung stimmt und sich die Kapitalverzinsung nahe Null orientiert. Von einer Preisblase kann erst dann die Rede sein, wenn sich die Bodenpreise von den realen Ertragswerten entfernen, so daß sich die Flächen nicht mehr durch ihre Nutzung finanzieren können. Wenn also die Nachfrage inklusive steigender Preise bei fallenden Agrarpreisen eine Überbewertung zur Folge hat, könnte das System kippen. Die dabei diskutierten Reglementierungen des Bodenpreises kämen einem Eigentumseingriff mit Vermögensverlust gleich, sollte eine solche Gesetzgebung einen Verfall der Agrarpreise nach sich ziehen. Vielmehr ist ein staatliches Veto dort erforderlich, wo sich Agrarbetriebe mit börsennotierten Unternehmen herumschlagen müssen, die sich Ackerflächen im großen Stil einverleiben.

Daß die Uno 2015 zum „Internationalen Jahr des Bodens“ ausrief, kam nicht von ungefähr. Es sollte auf die Gefahren der Flächenversiegelung und auf die Bedeutung fruchtbarer Böden für die Ernährung hingewiesen werden. Henry Ford indes bewies vor über hundert Jahren nicht nur diesbezüglich Weitblick: Der Autopionier empfahl, „in Grund und Boden zu investieren, da das Produkt nicht mehr hergestellt wird“.