© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

„Kooperativ statt autoritär“
Präsidentschafswahl in Österreich: Mit Hilfe der Roten, Grünen, der Bürgerlichen und vieler Künstler will der Grüne Van der Bellen in die Hofburg ziehen
Verena Inauen

Wer Heimat liebt, der spaltet sie nicht“, lautet der Leitspruch des grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen. Obwohl die eigene Parteijugend noch vor wenigen Jahren auf derbere Sujets wie „Heimat im Herzen, Scheiße im Hirn“ setzte, will der 72jährige nun mit patriotischen Sprüchen punkten. Unterstützung erhält er dabei vom großen Wahlverlierer SPÖ. 

Nach dem desaströsen Ergebnis für  Rudolf Hundstorfer (11,3 Prozent) in der ersten Runde stellt sich die Altpartei prominent auf die Seite des Grünen und bietet ihre Plakatständer als Werbefläche an. Trotz ständiger Auseinandersetzung zwischen SPÖ und Grünen etwa in der Wiener Stadtregierung setzen linke Kreise alles daran, den FPÖ-Politiker Norbert Hofer als Präsidenten zu verhindern. 

Stellte sich Van der Bellen in der Vergangenheit konsequent auf die Seite von Jagdkritikern und war für eine Verschärfung des Jagdrechts, erhält er nun ungewohnte Unterstützung vom niederösterreichischen Landesjägermeister Josef Pröll, der ihm bei einer Wahlveranstaltung im Museum Albertina zur Seite stand. Ganz im Gegensatz zum ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald, der sich klar für Hofer ausspricht. Obwohl die in der ersten Runde drittplazierte Irmgard Griss eher linksgerichtete Themen im Wahlkampf vorantrieb, will diese allerdings explizit keine Empfehlung abgeben.

Kopf-an Kopf-Rennen erwartet

Während seiner politischen Blütezeit war Van der Bellen als vehementer Gegner von Abschiebungen bekannt. Je näher der Wahltag allerdings rückt, um so mehr weicht der Grüne von seinen eigenen Positionen ab. Dabei ist etwa zu beobachten, wie sich der bislang stark linksgerichtete Kandidat plötzlich auf konservative Forderungen einläßt und Wirtschaftsmigranten Einhalt gebieten will. Auch bei Sexualverbrechen spricht er sich nun für eine „Null Toleranz“-Politik aus, um im freiheitlichen Wählerspektrum noch einige Stimmen abgreifen zu können. 

Weiterhin bezeichnet sich der Präsidentschaftskandidat trotz grünen Parteibuchs gern als unabhängig und bemüht sich um Souveränität. Dabei ist er allerdings ein glühender Befürworter der amerikanischen Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“. Im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Hofer, der in wichtigen Belangen eine Volksabstimmung fordert, zeigt sich Van der Bellen wenig begeistert von der direkten Demokratie. Zwar lehnen beide Kandidaten den Freihandelspakt TTIP geschlossen ab, das grüne Urgestein würde allerdings erst gar keine Volksabstimmung darüber zustande kommen lassen.

Mehrere große Redaktionen wie etwa der linksgerichtete Standard wollen nach dem eklatanten Versagen der Meinungsforschungsinstitute bis zur Stichwahl am 22. Mai keine Umfrageergebnisse mehr publizieren. Andere Medien wie etwa die Krone oder Österreich lassen ihre Leser abstimmen und prophezeien ein Kopf-an-Kopf-Rennen. 

Bei diversen Live-Auftritten wie etwa der ORF-Sendung „Klartext“ oder bei der Puls4-Diskussion „Pro und Contra“ ging allerdings Hofer als Sieger aus dem Rennen hervor. Beim neuartigen Duell ohne Moderatoren beim privaten Fernsehsender ATV am Sonntag blieb es unentschieden. Van der Bellen mußte in die Offensive gehen und teilte aus. Es sei eine Richtungsentscheidung, wohin Österreich wolle und welche Rolle der Präsident dabei einnehme, so der Grüne. Dabei gehe es um „kooperativen Stil gegen autoritären Stil“. „Kein Politiker europäischen Rangs unterstützt sie, und es ist ihnen wurscht“, erklärte der 72jährige und legte nach: „Es stört sie, daß Politiker in Europa mich lieber haben. Wer hat Ihnen zum Sieg am 24. April gratuliert? Nur Rechte.“

Doch nicht nur EU-Politiker wie der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), lieben Van der Bellen. In einem öffentlichen Aufruf sind sich „Bürgerliche“ wie Gault-Millau-Herausgeber Karl und Martina Hohenlohe, Othmar Karas (ÖVP-EU-Delegationsleiter) sowie der ehemalige Vizekanzler Erhard Busek und Ex-EU-Kommissar Franz Fischler (beide ÖVP) einig: „Wir wählen Alexander Van der Bellen nicht aus Begeisterung, aber nach reiflicher Überlegung. Hofer ist einfach für bürgerliche Wähler wie uns keine ernstzunehmende Alternative.“ 

Auch Dutzende Kulturschaffende geben sich ein Stelldichein. Es gibt Gratiskonzerte, um für den 72jährigen zu werben, sowie gutplazierte Unterstützungserklärungen in der Gratiszeitung Heute mit Fotos von Hubert von Goisern, André Heller, Harald Krassnitzer oder Christoph Waltz. Hofer sieht diese Bemühungen allerdings gelassen und zeigt sich siegessicher: „Sie haben die Hautevolee, ich habe die Menschen auf meiner Seite.“ – „Es ist eine Schweinerei, daß Sie mich als Handlanger einer Schickeria bezeichnen“, kontert Van der Bellen.