© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Lehrer auf der Abschußliste
AfD: Der Fall eines Pädagogen aus Niedersachsen zeigt, wie nachteilig sich Sympathiebekundungen auswirken können
Bernd Hierholzer

Der Stuttgarter Parteitag der AfD ist für seine Besucher nicht ohne Folgen geblieben. Die illegale Beschaffung von Teilnehmeradressen und deren Veröffentlichung auf einer linksextremistischen Internetseite haben Linksextreme für erste Attacken genutzt. 

So sieht sich ein Braunschweiger AfD-Mitglied, das vom Stadtrat in den Schulelternausschuß berufen worden ist, nun mit der Forderung nach einer Abberufung konfrontiert. In Süddeutschland wurde eine freiberufliche Lehrerin zur Wahrung des Schulfriedens vom Unterricht freigestellt, was einer Entlassung entspricht. Auch in Offenbach wurde eine freiberufliche Lehrerin von einer kommunalen Schule freigestellt, „um den friedlichen und toleranten Schulbetrieb weiterhin gewährleisten zu können“, wie es heißt. Ob die Freistellung mit der Veröffentlichung ihrer Namen auf der linksextremen Internetseite oder mit der auf anderem Wege bekannt gewordenen AfD-Mitgliedschaft in einem Zusammenhang steht, konnte bis Redaktionsschluß nicht ermittelt werden. 

Lehrer in der AfD oder in ihrer politischen Nähe scheinen eine gefährdete Spezies zu sein. Bereits vor zwei Jahren hatte für einen niedersächsischen Realschullehrer ein „Like“ auf Facebook zugunsten der AfD genügt, um eine Lawine der Verfolgung und des Gegenprotestes loszutreten. Alfred D. war Realschullehrer an der Kooperativen Gesamtschule Schwarmstedt in der Lüneburger Heide. Der Mann galt als geachteter Lehrer. Soweit man seinem Umfeld entnehmen kann, ist er gebildet, politisch unauffällig und bei den Schülern beliebt. Alfred D. versteht es, Schüler zu motivieren, Wissen und Haltung zu vermitteln. Der Pädagoge ist kaum 40 Jahre jung und bewegt sich selbstverständlich auch im Internet. Er informiert und bildet sich. Soweit erkennbar, macht er das auch über soziale Netzwerke. Als Politologe kommt man an diesen digitalen Echtzeitdebatten kaum vorbei. Ob aus Gründen der Informationsgewinnung oder aus Sympathiebekundung – Alfred D. gab von seiner privaten Facebook-Präsenz aus irgendwann zwischen Dezember 2014 und Januar 2015 den Facebook-Seiten von Pegida und der AfD ein „Like“. Die Motivation ist nicht nachvollziehbar, da Alfred D. mit der Presse nicht reden darf. 

Alfred D. ist sogar Thema im Landtag

Die Hölle brach über Alfred D. herein, als der Schulelternratsvorsitzende Mitte Januar 2015 an die niedersächsische Kultusministerin ein diffamierendes Schreiben sandte, das – welchen Inhalts auch immer – die Landesschulbehörde auf den Plan rief. Die Schulbehörde holte sich beim Schulleiter eine erste Stellungnahme ein. Was dann folgte, muß nach Angaben der Niedersächsischen Landesregierung ein langes beamtenrechtliches Verfahren gewesen sein, an dessen Ende die Landesschulbehörde Alfred D. schließlich an eine andere Schule versetzte. Man könnte es auch eine zeitlich befristete Strafversetzung nennen, denn als Begründung wurde angeführt, er habe den Schulfrieden massiv gestört.

Tatsächlich soll Alfred D. gegenüber Schülern nie parteipolitisch oder auch nur einseitig politisch aufgefallen sein, ganz anders als manche Kollegen, deren T-Shirts schon von weitem verraten, was sie denken und wohl auch Schüler denken sollen. Vielleicht ist gerade diese neutrale Haltung Alfred D.s der Grund für seine Beliebtheit. Jetzt ist der Schulfrieden tatsächlich gestört. Die Abordnung ihres beliebten Lehrers nahmen jüngst zumindest die Schüler zum Anlaß, mit einer Unterschriftenliste zur Landesschulbehörde nach Lüneburg zu ziehen und die Rückkehr ihres Lehrers einzufordern. Fast jeder zweite Schüler der 8. bis 12. Klasse, 350 Schüler insgesamt, hatten binnen kürzester Frist die Petition unterzeichnet. Den anderen sei die Sache eher gleichgültig gewesen, erklärt eine Schülerin die Zurückhaltung der Nichtunterzeichner. Alfred D. habe sich im Unterricht aber stets korrekt verhalten und sich nie einseitig politisierend geäußert. Der Präsident der Landesschulbehörde, Ulrich Dempwolf empfing die Schüler persönlich. Selbst im Lehrerkollegium gab es eine große Unterstützerzahl, die sich für eine Rückkehr des Fachbereichsleiters stark machte, da man die Abordnung für ungerechtfertigt gehalten habe. Dem Schulpersonalrat liegen immerhin 35 Lehrerunterschriften vor, die diese Position unterstreichen. 

Wie hoch die Zustimmung für Alfred D. ist, belegt auch ein weiterer Umstand. An der Kooperativen Gesamtschule Schwarmstedt wurde im unmittelbaren Zusammenhang mit der Auseinandersetzung eine sogenannte Offene Wandzeitung initiiert. Eine Pinnwand, auf der die Schüler, Eltern und Lehrer über zwei Wochen ihre Meinungen veröffentlichen durften.  Inzwischen hat sich mit dem Fall Alfred D. auch der Niedersächsische Landtag befaßt – Ende offen.