© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/16 / 13. Mai 2016

Schuggel dien Moors!
Rap geht auch auf plattdeutsch: Das junge Bremer Trio „De fofftig Penns“ macht Elektro-Hip-Hop mit dem regionalen etwas
Bernd Rademacher

Dialekt in der Popmusik – da denkt man zuerst an alpenländische Mundart: an La Brass Banda vom Chiemsee oder die bayerischen Hip-Hopper Dicht & Ergreifend. Selbst das traditionelle „Hoam nach Fürstenfeld“ wird aktuell in frischer Rockabilly-Version oft im Radio gespielt. Doch der Norden holt auf! 

Wenn vom 24. bis 26. Juni in Scheeßel das 20. Hurricane-Festival abrollt, werden auch niederdeutsche Reime zu hören sein. „De fofftig Penns“ aus Bremen rappen auf plattdeutsch. Die Elektro-Hip-Hop-Band aus dem kühlen Norden nennt ihren Plattdütsch-Sound „Dialektro“ und fordert: „Schuggel dien Moors!“ – und von Oldenburg bis Cuxhaven weiß das Publikum, daß es mit dem Hintern wackeln soll.

Unter die knarzigen Elektro-Loops mischt sich immer wieder ein küstentypisches Schifferklavier. Mit Baseballcap und gelben „Ostfriesennerzen“ stellen sie klar: „Ick mutt gor nix!“ Textprobe: „Dat mutt du doch verstoahn – Nee, mutt ick nich!“

In „Een vun de fofftich“ rappen sie über ihre Heimat Bremen-Vegesack, und mit „Gröön un Witt“ haben sie eine Hip-Hop-Hymne auf Werder Bremen gereimt. Dank professioneller Videos auf Youtube und Auftritten auf regionalen Festivals wächst ihre Anhängerschaft stetig. 

Der Gig auf dem Hurricane ist der bisherige Höhepunkt ihrer Bandgeschichte, die 2003 als Juxprojekt von Schülern begann.

Leider ist der Karriereradius der Jungs stark eingeschränkt, denn außerhalb Niedersachsens versteht niemand Platt, das sich selbst vom westfälischen Niederdeutsch unterscheidet. Trotzdem haben sie auch schon außerhalb der Heimatregion gespielt, unter anderem im eher berlinernden Potsdam, wo sie den Fans Sprachunterricht gaben: „Okay, ‘nee mutt ick nich’ heißt ‘morgens um vier’ auf koreanisch ...“

Für die Preußen klang es vermutlich genauso exotisch. Doch wenn „De fofftig Penns“ (hochdeutsch „Die fünfzig Pfennige“ und eine Parodie auf den US-Rapper „50 Cent“) ihre Verse mit MG-Kadenz abfeuern, kommen selbst echte Mundartsprecher kaum noch mit. Gelernt haben sie das Platt von ihren Großeltern.

Niederdeutsch ist vom Aussterben bedroht. Die Zahl der aktiven Sprecher geht ständig zurück; Sprachwissenschaftler schätzen sie auf ein bis zwei Millionen. Es gibt Initiativen zur Bewahrung des Platt, zum Beispiel niederdeutsche Theaterbühnen und Platt als Wahlfach in weiterführenden Schulen.

Frische Botschafter         heimatlicher Tradition

Das Aussterben ländlicher Dialekte ist keine Folge der traditionsfeindlichen Achtundsechziger. Schon die Nationalsozialisten verboten die Dialektpflege, weil regionale Mundarten einer zentralistischen Organisation des europäischen „Gesamtreiches“ entgegenstanden.

„De fofftig Penns“ sind perfekte Botschafter ihrer heimatlichen Tradition, weil sie den Dialekt als cool und authentisch rüberbringen. Sie bringen das Platt in die Stadt. Ihnen „is dat Fell am Jüggen“, und ihr optimistisches Motto lautet: „Löppt!“ Gefördert werden sie von der Ostfriesen-Teemarke Bünting. Das fühlt sich an wie mit Kluntjes und Sahne.

Kein Wunder auch, daß sie schon Nachahmer inspirieren konnten: Die Rapper Blowm und Maddin aus Emden haben nicht nur ihre Debut-CD „As en Een“ (Wie ’ne Eins) veröffentlicht, sondern auch das „Seenotrapper“-Lied geschrieben, das Anfang des Jahres offiziell von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger vorgestellt wurde.

Die beiden sind sich übrigens einig, daß Hip-Hop mitnichten eine amerikanische Erfindung ist, sondern in Norddeutschland erfunden wurde – und zwar von Maddins Oma, denn die sagte schon immer „Jo!“