© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/16 / 13. Mai 2016

Die Magie des Erfolges
Die US-Schriftstellerin Elizabeth Gilbert über den Einfluß der Angst auf die Kreativität
Friederike Hoffmann-Klein

Neugier ist der Weg, um der eigenen Kreativität vielleicht ein kleines Stück entgegenzugehen. Die amerikanische Autorin Elizabeth Gilbert, bekannt durch den Bestseller „Eat, Pray, Love“, beschreibt in ihrem neuen Roman „Big Magic“ den Weg zum kreativen Erfolg. Du mußt nur lernen, deinem Interesse zu vertrauen, und vielleicht wird schließlich ein großer Roman daraus. Genau das ist „große Magie“ (Big Magic). 

Wer kennt es nicht, das lähmende Gefühl nach einer Absage. Die erste Reaktion, wenn der Verlag das Manuskript mit Bedauern zurückgeschickt hat, ist doch: „Nie wieder!“ Elizabeth Gilbert beschreibt, wie man die Angst vor dem Mißerfolg überwinden kann, wie überhaupt nicht der Erfolg das Entscheidende ist, sondern die Kreativität. Weiterschreiben, trotz vieler Absagen. Das geht, wenn man um des Schreibens willen schreibt, wenn nicht das Streben nach Ruhm an erster Stelle steht. 

Gilbert faßt ihre Absagebriefe sogar als „kosmisches Tennisspiel“ auf, sie schlägt wieder zurück, indem sie noch am selben Tag einen neuen Text verschickt. Unterstützung erhält sie zu Anfang ihrer schriftstellerischen Karriere von niemandem. Nur wer nicht jammert, wenn sich Erfolg nicht einstellt, sondern die eigene Arbeit liebt, erhält sich die Inspiration.

Sehr anschaulich beschreibt Gilbert ihre persönliche Situation der Angst, einer Angst, die sie von Kindertagen an kennt. Sie war das empfindsame Kind, das seine Angst nicht bekämpfen wollte. „Bedauernswerte Perle“ hat ihr Vater sie genannt. Aber Angst ist eigentlich langweilig, und diese Erkenntnis hat ihr schließlich geholfen, sie hinter sich zu lassen. 

Keine Angst zu haben bedeutet nicht, daß sie sich nicht mehr zeigt. Angst ist der siamesische Zwilling der Kreativität. Der siamesische Zwilling nimmt für die Autorin personale Züge an. Sie gestattet der Angst, sie bei allen Unternehmungen zu begleiten, aber sie darf sich nicht einmischen, denn es geht darum, das Leben, das ohnehin kurz genug ist, so außergewöhnlich und wundervoll zu leben, wie es nur möglich ist. Die Autorin, die auf einer Weihnachtsbaumfarm in Connecticut aufgewachsen ist, muß immer schreiben. Ihren politikwissenschaftlichen Abschluß empfindet sie dankbar als geisteswissenschaftliche Bildungsgrundlage. Aber sie wußte immer, daß sie Schriftstellerin werden wollte. „Nichts hat mich je stärker interessiert. Dieses tief empfundene Interesse hat mich weiterarbeiten lassen, selbst als sich keinerlei Erfolg einstellen wollte.“

In allen Phasen kreativen Schaffens Haltung bewahren

Ihre Vorstellung von dem Genius, der plötzlich und unerwartet kommt und mit dessen Hilfe man ein Werk hervorbringt, das man nicht allein aus sich selbst heraus geschaffen hat, ist sehr konkret. „Manchmal kommt es mir vor, als säße mein Genius in der Ecke und würde mich am Schreibtisch beobachten, Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat, nur um sicherzustellen, daß es mir wirklich ernst ist (…).“ Und wenn die Inspiration von selbst kommt, dann fließen die Worte nur so aus einem heraus, dann schreibt man ganz ohne die geringste Anstrengung. Ihre Geschichten sind nicht ausgedacht, sie „kommen auf sie zu“. Sie kann fühlen, wie irgendeine äußere Kraft sie antreibt. „Etwas trägt mich mit sich – etwas Starkes und Großzügiges –, und dieses Etwas bin definitiv nicht ich.“

Dieses Erlebnis ist nun sicher nicht übertragbar oder vermittelbar, nur eine begabte Schriftstellerin kann es erleben. Die Haltung der Dankbarkeit ist es, die Gilbert ihren Lesern weitergeben will, bei ihr hervorgerufen durch das Erlebnis des Schreibens.

Kreativität hat ihre Grundlage in der Magie, womit all das gemeint ist, was „nicht ganz menschlichen Ursprungs“ ist: das Mystische, Unerklärliche, Transzendente, Jenseitige. Etwas esoterisch mutet es an, wenn sie sich Ideen als von uns vollkommen unabhängige „Bewohner“ unseres Planeten vorstellt. Ideen, die sich manifestieren wollen, die mit uns Kontakt aufnehmen, die Zusammenarbeit mit einem Menschen regelrecht suchen. Die Idee zeigt sich uns im Wege der Inspiration. Manchmal kann es passieren, daß eine Idee die Geduld verliert. Als Gilbert einmal durch äußere Umstände daran gehindert ist, an ihrem begonnenen Roman zu schreiben und ihn deshalb „vernachlässigt“, muß sie feststellen, daß er „nicht mehr existiert“, als sie zu ihm zurückkehren will. Die Idee war das Warten leid geworden und hatte sie verlassen.

Zur Aufgabe eines kreativen Menschen gehört es, mit Enttäuschung und Frustration fertig zu werden: „Wie man sich zwischen den Sternstunden im Griff hat, wenn die Dinge nicht so toll laufen, zeigt, wie sehr man sich seiner Berufung verschrieben hat und wie gewappnet man für die seltsamen Anforderungen eines kreativen Lebens ist. In allen Phasen kreativen Schaffens Haltung zu bewahren, ist die eigentliche Leistung.“ Es gibt sehr viele zitierwürdige Sätze in diesem Buch.

Erst nach der Veröffentlichung von „Eat, Pray, Love“ gibt sie ihren Brotjob auf, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon drei Bücher in angesehenen Verlagen veröffentlicht hat. Denn von der eigenen Kreativität zu verlangen, daß sie unbedingt für den eigenen Lebensunterhalt aufkommt, bedeutet ein unnötiges Maß an Druck, das ihr nicht förderlich ist. 

Und eigentlich handelt dieser Roman immer wieder oder fast ausschließlich von der Arbeit des Schriftstellers. Gleichzeitig aber geht er darüber hinaus und beschreibt eine Lebenshaltung, eine Lebenshaltung der Kreativität gewissermaßen, die es Menschen möglich macht, Abstand von ihrem Alltagsleben zu gewinnen und bisweilen auch von der „schrecklichen Last“, sie selbst zu sein. Es macht nichts, wenn der Roman nicht perfekt ist, denn das ist unendlich viel besser als ein perfekter Roman, der nie geschrieben wird.

Elizabeth Gilbert: Big Magic. Nimm dein Leben in die Hand und es wird dir gelingen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 2015, broschiert, 320 Seiten, 14,99 Euro