© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Wiedersehen macht Freude
... aber ernährt einen nur dürftig: Der Beruf des Golfballtauchers führt in düstere Tümpel
Bernd Rademacher

Den drei eleganten älteren Damen an Loch 18 fällt vor Schreck fast der Golfschläger aus der Hand, als unvermittelt ein Froschmann aus dem Wasserhindernis auftaucht und mit einem prallen Netz auf das Grün watet. Seine Beute sind keine Fische: Das Netz ist voller versunkener Golfbälle, bedeckt mit Schlamm und Algen.

Tag für Tag verschwinden auf Golfplätzen ungezählte Bälle mit einem „Plümps“ in den künstlichen Teichen. Amerikaner haben daraus ein Geschäftsmodell entwickelt, das es inzwischen auch bei uns gibt: Golfballtaucher.

Golfbälle sind teuer. Die günstigsten Markenbälle liegen bei knapp unter einem Euro pro Stück. Die „Second-Chance-Lakeballs“ sind schon ab 25 Cent zu haben. Das Geschäft mit den Bällen Marke „Zweite Chance“ brummt dementsprechend. Aber leicht verdient ist das Geld nicht ...

„Einmal im Jahr kommt bei uns so ein Typ vorbei“

In einen Golfplatztümpel zu steigen ist etwas anderes als Korallentauchen auf den Malediven. Die Sicht in den trüben Teichen ist gleich null. Der Taucher kann die Bälle nur im Schlamm ertasten. Dabei haben es die deutschen Golfballtaucher noch gut: In den USA lauern manchmal gefährliche Schnappschildkröten oder Alligatoren in den Wasserhindernissen!

Und dann fängt die Arbeit erst richtig an: Die Bälle müssen von Schlamm und Algen gereinigt und nach Farben und Marken sortiert werden. Als Selbständiger braucht man dafür mindestens eine kleine Garage. Die meisten Wiederverwerter bieten die Recyclingbälle zum Versand auf ihren eigenen Internetseiten an, wie golfballcomeback.de oder teichgolfbaelle.de. Ein begehrter Markenball mit gut erhaltenem Logo bringt bis zu 1,50 Euro; ein gemischtes Angebot mit 100 Bällen rund 60 Euro. Gerade für Anfänger im Golfsport eine preiswerte Alternative. Auch die „Pro-Shops“ der Golfplätze sind dankbare Abnehmer für Second-Hand-Pakete, die sie ihren Anfängern anbieten.

In den USA ist aus dieser ausgefallenen Geschäftsidee eine ganze Industrie entstanden. Heerscharen von Tauchern sind dort in den Sommermonaten unterwegs. In Deutschland ist der Markt bescheidener: Die meisten Golfballtaucher sind Sporttaucher, die aus ihrem Hobby einen lukrativen Nebenverdient gemacht haben. Trotz der geringen Tauchtiefe in den Tümpeln ist es nicht ganz risikolos, alleine zu arbeiten: In Streßsituationen unter Wasser ohne Orientierung zu sein, kann gefährlich werden.

Natürlich benötigen die Balltaucher die Erlaubnis der Golfplatzinhaber. Doch die sehen das entspannt. Der Platzwart vom Golfgarten Deutsche Weinstraße meint: „Einmal im Jahr kommt bei uns so ein Typ vorbei. Wir haben davon keinen Vorteil, aber wenn einer kommt und sagt: ‘Ich hol’ euch die Dinger da raus’, sagen wir ‘Komm’ Se vorbei.’“ Solange der Taucher die Teichfolie nicht beschädigt oder den Spielbetrieb stört, reagieren die Verantwortlichen sportlich: „Es gibt Plätze, die verlangen eine Pauschalgebühr oder einen Anteil der Bälle, wir machen das nicht.“

Am Golfplatz Tegernsee sind die Betreiber selbst auf den Geschmack gekommen: „Des moch mir selber!“ Im Sommer gründeln sie in den Tümpeln herum und holen pfundweise verschlagene Abschlagbälle heraus: „Des is a Gaudi!“ Allerdings sind nicht alle Golfspieler vorurteilsfrei: Manche behaupten, ein Ball, der zu lange im Wasser liegt, würde unbrauchbar. Der Platzbetreiber meint lakonisch: „Weißt, des is a Philosophie. Der oane nimmt für jeden Schloag an neuen Ball, der andere soagt: Des is mir wurscht!“

Anders als in den USA sind die deutschen Golfplätze nicht zahlreich und groß genug, um von diesem Geschäft auskömmlich leben oder eine Familie ernähren zu können. Doch ein originelles Hobby ist es allemal – und ein sinnvolles dazu. Und wer weiß: Vielleicht begegnet der Froschmann, der den Golfball aus dem Tümpel wieder heraufgeholt hat, beim Auftauchen ja seiner Prinzessin?