© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Oper braucht keinen Rettungsring
Regie: „Wirkliches Theater entsteht, wenn die Musik nicht überproportional gut ist“, behauptet ein Dirigent
Richard Stoltz


Wir Dirigenten müssen endlich Verantwortung übernehmen, damit wieder vernünftige Opernaufführungen möglich werden.“ So tönte Ádám Fischer (66) aus Budapest, alerter Operndirigent an vielen Bühnen Europas, in einem Interview. Opernfreunde bekamen glücklicherweise nichts davon mit, denn Fischer sprach, zusammen mit seinem Bruder Ivàn, ebenfalls Dirigent, mit dem ungarischen Wirtschaftsmagazin HVG, das mehrheitlich zur deutschen Funke-Gruppe in Essen gehört.

Es ging um das „moderne Regietheater“, das sich zunehmend auch der klassischen Oper bemächtigt und damit beim Publikum viel Verstörung auslöst. Für Ádám Fischer liegt die Schuld aber keineswegs nur bei den Regisseuren, sondern mindestens ebensosehr bei den Dirigenten. „Wirkliches Theater“, führte er aus, entstehe, „wenn die Musik nicht überproportional gut ist. Wenn die Sänger und der Dirigent alles übertrumpfen, bleibt das Bühnenerlebnis der Produktion wohl auf der Strecke.“ 

Und für seinen Bruder Iván liegt in der „gleichwertigen“ Begegnung von großer Musik mit „alternativen Spielstätten“ eine Chance, „zumindest temporär“. Dort entstünden gegenwärtig „die wertvollsten Produktionen“. Doch seien diese Orte nicht in der Lage, „als Rettungsring für die Oper zu dienen. Mit der Zeit müßte der Reformprozeß die klassische Oper erreichen. Denn das Stammpublikum wird immer älter!“

Dem Opernfreund bleibt schlicht die Spucke weg. „Rettung“ der Oper, indem Sänger und Dirigenten „weniger gut“ werden, bewußt unter ihren künstlerischen Möglichkeiten bleiben? Das ist doch der reine Aberwitz. Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die „alternativen“ Regisseure müßten besser werden, sie müßten mehr Respekt und mehr Feingefühl für die Musik, für die Sänger und Dirigenten entwickeln.

Im übrigen braucht die Oper gar keinen Rettungsring, sie wird weiter ihr begeistertes Publikum finden, bei den Alten wie bei den Jungen, da können die Fischer-Brüder ganz beruhigt sein. Allenfalls vor gewissen Regisseuren wird man sie retten müssen, seien die nun „alternativ“ oder sonstwie. Sie müssen nur gut sein.