© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Wieder fest im Sattel
Syrien: Präsident Assad erweist sich als „Überlebenskünstler“ / Er setzt auf Stabilität und kann sich dabei auf seine Partner verlassen
Marc Zoellner

Baschar al-Assad hatte gut lachen, als er am Morgen des 13. April in Damaskus vor die Öffentlichkeit trat. Zusammen mit seiner Frau Asma war der syrische Präsident erschienen, um seine Stimme zur Parlamentswahl abzugeben. 

Sein Auftritt stand dabei nicht zufällig im scharfen Kontrast zu den Bildern, die sonst aus Syrien an die Weltöffentlichkeit dringen: Assad tadellos gekleidet in Anzug und Krawatte, die bildhübsche 40jährige Asma im eleganten, figurbetonten schwarzen Kleid. Feiernde Menschen in einer sauberen, vom Krieg nur wenig getroffenen Hauptstadt. Fröhliche Wähler, die ihren Präsidenten umringen und sich mit ihm für die Pressefotografen ablichten lassen.

Der 13. April war in vielerlei Hinsicht ein symbolträchtiger Tag für das syrische Regime. Nicht nur, was die westlich geprägte Couture der Präsidentenfamilie betraf, die sich damit deutlich vom islamistischen Widerstand im Osten des Landes, von den IS-Milizionären und ihren oftmals antiquiert und von der Moderne überholt wirkenden Gewändern abgrenzte. 

Teheran steht treu an der Seite Assads

Der 13. April war gleichzeitig Stichtag der UN-geführten Friedensverhandlungen, welche just an jenem Mittwoch in Genf begannen. Mit seinem Auftritt setzte Baschar al-Assad auch außenpolitische Akzente: Eine dauerhafte Lösung im nunmehr fünf Jahre andauernden Syrienkrieg, so der Duktus, gebe es nur mit Assad, nicht jedoch ohne ihn. Denn das syrische Volk, sollte die Parlamentswahl beweisen, stehe noch immer hinter seinem Präsidenten.

Im Mai 2012 konnten die sozialistischen Baathisten, die Staatspartei Baschar al-Assads, bereits die letzte Parlamentswahl für sich entscheiden. Das Wahlbündnis der Nationalen Progressiven Front, ein Zusammenschluß verschiedenster sozialistischer und kommunistischer Blockparteien unter Führung der Baathisten, errang damals 168 der 250 Sitze des Volksrats. Lediglich fünf Plätze fielen an die Opposition; der große Rest wurde unter regimetreuen Einzelbewerbern aufgeteilt.

Daß Assads Partei als großer Sieger der diesjährigen Parlamentswahl hervorgehen würde, stand demzufolge außer Zweifel. Bereits im Vorfeld hatte die staatliche Wahlkommission rund 7.000 der 11.500 Kandidaten als ungenügend qualifiziert ausgesiebt. Überdies waren nur noch rund acht Millionen Syrer als Wähler zugelassen – eine gewaltige Differenz zu 2012, als noch 14,8 Millionen an die Urnen gerufen wurden. Die Wahlbeteiligung betrug dieses Jahr 57 Prozent.

Assad konnte trotzdem lachen, dies lag am Ergebnis seiner Baathisten. Von deren 200 Kandidaten – mehr hatte die Baath-Partei nicht aufgestellt – wurden sämtliche 200 ins Parlament gewählt. Symbolträchtig bewies der 13. April den Syrern: Der Einfluß des Präsidenten auf sein Land mag sich nur noch auf gut 25 Prozent der Gesamtfläche Syriens erstrecken. Doch in Damaskus sitzt Assad fester denn je im Sattel.

„Assad ist bereits sehr stark“, bestätigt der 19jährige Student Hadi Jumaa vor Reuters-Reportern die Ansicht nicht weniger Damaszener. „Aber diese Wahl zeigt, daß die Menschen ihn unterstützen und hinter ihm stehen.“ Unterstützung findet Assad, dem noch im vergangenen Jahr kaum Überlebenschancen im Machtkampf um die Herrschaft über Syrien eingeräumt worden sind, mittlerweile auch wieder unter ausländischen Regierungen. Bereits vor den Genfer Verhandlungen konstatierte Ali Akbar Velayati, der ehemalige Außenminister des Iran und jetzige Berater des schiitischen Revolutionsführers, die Absetzung Assads sei für sein Land „eine rote Linie“. Nach der letztmonatigen Abgeordnetenwahl gehörte Ari Laridschani, Sprecher des Teheraner Parlaments, wiederum zu den ersten Gratulanten. 

Gemeinsam mit Rußland und China zählt der Iran zu den engsten Verbündeten des Assad-Regimes im syrischen Bürgerkrieg. Zwischen 2.500 und 4.000 iranische Soldaten hält Teheran in Syrien stationiert; 160 von ihnen sollen in aktiven Kampfhandlungen gegen den IS, aber auch gegen die moderaten Widerstandsgruppen der FSA bereits gefallen sein.

Die aggressive Torpedierung der Genfer Friedensverhandlungen durch den Iran konnte dabei zu keinem schlechteren Zeitpunkt erfolgen. Denn eigentlich sollte an den Ufern des Genfersees einen Fahrplan zur politischen Umgestaltung Syriens hin zu einer Allparteienkoalition der bisherigen Konfliktparteien erarbeitet werden; allerdings ohne eine Beteiligung der islamistischen Al-Nusra- und IS-Organisationen. Für Assad selbst sah man in diesen Plänen keinen Platz zur Mitwirkung mehr vor. Seine Abdankung galt unter der Hand bereits als beschlossen.

Innerer Machtzirkel gibt sich keine Blöße

Doch zum Unmut der Verhandlungspartner hält Assad sich weiter über Wasser. Der syrische Präsident hat seinen inneren Machtzirkel, der nur aus wenigen Dutzend engen Vertrauten, aus Ministern, Generälen und Geheimdienstchefs besteht, streng unter Kontrolle und kann sich überdies auf den Rückhalt der syrischen Bevölkerung in den insbesondere durch ausländische Truppen befriedeten Gebieten rund um Damaskus berufen.

„Mr. Assad hat bewiesen, der ultimative Überlebenskünstler zu sein“, kommentierte die New York Times jüngst. „Seine Gegner, lokal wie international, haben immer wieder nicht nur Mr. Assads Bereitschaft, mit Gewalt seine Macht zu erhalten, unterschätzt, sondern ebenso den Durchhaltewillen des innersten Kreises seines Regimes.“ Das US-Magazin Tablet gewährte Assad gar die zweifelhafte Kür zum „Teflon Don des Nahen Ostens“ – in Anspielung auf den New Yorker Mafiaboß John Gotti, welcher sich trotz unzähliger Anklagen über Jahrzehnte sicher an der Spitze der US-amerikanischen  Cosa Nostra halten konnte.