© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Nachhaltige Fischerei braucht schärfere Gesetze
Aquakultur entlastet die Bestände an Wildfischen langfristig nicht / Kieler Studie liefert ernüchternde Ergebnisse
Dieter Menke

Seit 2007 suchen Kieler Fischerei- und Evolutionsbiologen, Ökonomen und Völkerrechtler im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mitfinanzierten „Exzellenzclusters Ozean der Zukunft“ nach den Bedingungen „nachhaltiger Fischerei“. Da bei diesem „ökosystembasierten Ansatz“ nicht nur biologisch-ozeanographische Voraussetzungen „nachhaltigen Ressourcenmanagements“ in Ost- und Nordsee ermittelt werden sollen, sondern auch ihre wirtschaftlichen Aspekte bis hin zur Arbeitsplatzsicherheit in der rasant schrumpfenden Kutterflotte der „handwerklichen Küstenfischerei“ sowie deren Beitrag zur „sozialen Identität“ norddeutscher Hafenorte, leitet mit Martin F. Quast ein Volkswirtschaftsprofessor die Forschergruppe.

In einem Projektbericht (Forschung, 4/15) widmet sich Quast jedoch nicht den Problemen, die in seine Kompetenz fallen. Etwa den Auswirkungen der EU-Agrarpolitik, die Deutschlands Küstenfischerei nach der Wiedervereinigung faktisch auf den Aussterbeetat setzte, so daß es heute mangels Fischern in vielen Häfen keine maritime Kultur und also keine entsprechende „soziale Identität“ mehr gibt.

Statt dessen stand in einer jetzt abgeschlossenen Studie die Frage im Mittelpunkt, wie sich Wildfischfang und Aquakultur bei beliebten Speisefischen wie Lachs, Thunfisch, Kabeljau und Wolfsbarsch bis zur Jahrhundertmitte entwickeln werden. Als Überraschung stellte sich dabei heraus, daß Aquakulturproduktion die Bestände wild gefangener Fische nicht wie erwartet schonen könne. Denn positive Effekte der Fischzucht würden voraussichtlich durch weltweit steigende Nachfrage und den technischen Fortschritt bei der Ausrüstung der Fangflotten aufgehoben. Unter den gegenwärtigen Bedingungen müßten Aquakulturen ihre Jahresproduktion um zweistellige Prozentbeträge steigern, um Wildbestände zu entlasten – „ein aus Sicht der Forschung geradezu utopischer Wert“. Zumal man Zuchtfische mit dem Fleisch ihrer wilden Genossen füttern muß. Um den Zusammenbruch der Wildbestände zu verhindern, bliebe nur ein verschärfter Artenschutz durch eine Novellierung des UN-Seerechtsabkommens.

Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“: www.futureocean.org/de/