© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Stasi-Methoden lassen die Kasse klingeln
Kfz-Versicherungen: Der mächtige Allianz-Konzern steigt ins Geschäft mit Telematik-Tarifen ein / Wer sich überwachen läßt, kann Geld sparen
Peter Offermann

Am 28. April werden auch die Versicherten des mit 125 Milliarden Euro Umsatz größten deutschen Assekuranzkonzerns Allianz zu „gläsernen Kunden“. Zumindest im Bereich der Kfz-Versicherung, wenn sie maximal 28 Jahre sind, den Telematik-Tarif „BonusDrive“ wählen und ein entsprechendes Zusatzprogramm (App) auf ihrem Mobiltelefon installieren (JF 48/15).

Der Marktführer in der deutschen Kfz-Sparte, die mit 10,7 Millionen versicherten Fahrzeugen aufwartende HUK-Coburg, will im dritten Quartal 2016 nachziehen. Der Deutschland-Ableger des französischen Axa-Konzerns hat schon seit Jahresanfang einen Telematik-Tarif im Angebot. Dadurch können Autobesitzer bis 25 bei sicherem Fahrstil 15 Prozent ihrer Prämie sparen. Bei der Axa wird das Ganze auch über eine App geregelt. Um sich den Rabatt zu sichern, muß der Kunde „Axa DriveCheck“ für 40 Einzelfahrten mit einer Gesamtdistanz von mindestens 600 Kilometern nutzen. Der Kunde entscheidet am Ende aber selbst, ob er das Endergebnis an den Versicherer übermitteln möchte, um den Nachlaß zu erhalten. Überprüft werden laut Kölner Axa-Zentrale das Beschleunigungsverhalten, Bremsverhalten, das Kurvenfahren und die Geschwindigkeit.

Umfangreicher ist der Allianz-Telematiktarif. Hier werden nicht nur Daten übermittelt, der Versicherte erhält über die App auch Einblicke ins persönliche Fahrverhalten in Echtzeit. Um sicherzustellen, daß nur Fahrten im versicherten Fahrzeug aufgezeichnet werden, muß ein kostenloser Bluetooth-Stecker in den Zigarettenanzünder gesteckt werden, der sich automatisch mit der App verbindet.

Das Fahrverhalten wird dann in Form von Medaillen widergespiegelt. Für Gold kann der Kunde mit einem Rabatt von 30 Prozent rechnen. Bereits im vorigen Jahr mit den eigenen Mitarbeitern getestet hat das Rabattmonster Telematik die HUK-Coburg. Der deutsche Telematik-Pionier, die Sparkassenversicherung S-Direkt, hat hingegen sein Pilotprojekt vorerst eingestellt: „Das Problem sind die Systemkosten“, erklärte S-Direkt-Vorstand Jürgen Cramer gegenüber dem Experten-Report. „100 Euro auf durchschnittlich 440 Euro Prämie ist schlichtweg zu teuer.“ Zudem entstünden Kosten für die Datenverarbeitung bei der Fahrstilerfassung: „Die Machine-to-machine-Datenübertragung gibt es nicht umsonst, sondern wir müssen dafür Netznutzungsgebühren bezahlen. Auch das Service-Center, das die Notfallortung und -betreuung übernimmt, kostet“, erläuterte Cramer.

Doch dank EU-Hilfe müssen mittelfristig nicht die Versicherer, sondern die Autofahrer blechen: Ab 2018 sind in allen Neuwagen eCall-Systeme verpflichtend (JF 16/15). Angeblich soll das System Leben retten, da es Unfälle direkt an die Notrufzentrale meldet. Doch eCall sammelt permanent Daten über den Kfz-Zustand, die Route und das Fahrverhalten. Die Versicherungslobby fordert, diese Daten nutzen zu können. Gelingt dies nicht, könnte dies das Ende der herkömmlichen Autoversicherung sein, da viele Autokonzerne selbst Policen anbieten. Zwar geschieht dies meist noch in Kooperation mit Versicherern. Kontrollieren sie aber die Fahrdaten alleine, wären die Versicherungen, ob der gestärkten Position der Hersteller, nur noch reine Zulieferer – oder vollkommen überflüssig. Der private Datenschutz wäre damit endgültig Illusion.

HIS-Datenbank für „potentielle Kriminelle“

So verlockend die Rabatte sind und auch wenn die Versicherer die Datenschutzrichtlinien beachten: Es bleibt ein fader Beigeschmack – und es gibt neues Futter für die Datenkrake HIS. Mit der durch die Informa HIS GmbH angebotenen Datenbank möchten sich die Versicherungen grundsätzlich vor Betrügern schützen. Soweit, so gut. Jedoch halten sich die Gesellschaften nicht immer an den Datenschutz. Wie Datenschützer schon seit Jahren kritisieren, ist die schwarze Liste – auf der sich die Namen von 1,5 Millionen Personen befinden sollen – keineswegs transparent.

HIS-gespeichert wird alles, was die Mitgliedsunternehmen des Versicherungsverbandes GDV für verdächtig halten. Und das kann für viele Kunden den Super-Gau bedeuten, insbesondere dann, wenn es um noch abzuschließende Verträge oder schlicht den Versichererwechsel geht. Auf der schwarzen Liste landet nämlich nicht nur, wer der Meinung der Gesellschaft nach ein etwaiger Betrüger ist oder hohe Risiken aufweist – auch vermeintliche Querulanten finden sich im Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) wieder. Genauer gesagt sollen Kunden, die zu kritisch sind, im Vorfeld aussortiert werden. Die Folgen sind gravierend, haben es die Betroffenen dann oft schwer überhaupt noch bezahlbare Versicherungsverträge abzuschließen.

Besonders fatal ist es inzwischen beim Abschluß einer der wichtigsten Versicherungen überhaupt, der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU, JF 38/15). Wer sich nicht sicher ist, aufgrund seines Gesundheitszustandes ohne Erschwernisse bei einem Versicherer einen bezahlbaren BU-Schutz zu erhalten, sollte nicht direkt einen Antrag stellen. Dieser findet sich im Ablehnungsfall schnell im HIS wieder. Empfehlenswert ist hier der Weg der Vorabanfrage. Denn diese wird noch nicht direkt nach Stasimanier an die HIS-Datenbank weitergeleitet.

Aufgegliedert hat HIS die Kriterien auf der eigenen Internetseite. Gemeldet werden neben Erschwernissen auch atypische Schadenhäufigkeiten. In der Kfz-Versicherung trifft dies zu, wenn ein Kunde mehr als drei Schäden im Zeitraum von 24 Monaten verursacht hat. Ebenfalls kann die Versicherung die Eintragung bei besonderen Schadenfolgen beantragen. Dies kann passieren, wenn ein Schaden aufgrund eines Gutachtens oder Kostenvoranschlags fiktiv abgerechnet wird. Hierdurch soll vermieden werden, daß ein und derselbe Schaden an einem Fahrzeug bei mehreren Versicherern abgerechnet werden kann.

Auch Auffälligkeiten im Leistungsfall werden gespeichert, wenn durch den Schadenssachbearbeiter anhand spezifischer Kriterienkataloge betrugsgeeignete Vorgänge bemerkt werden. Genutzt wird das HIS in sämtlichen Sparten. Gespeichert werden die Daten für vier Jahre – bei einer erneuten Meldung verlängert sich die Frist auf bis zu zehn Jahre. Der Versicherer muß den Kunden über eine Meldung an das HIS informieren.Wer darauf jedoch nicht vertraut, kann einmal pro Jahr eine kostenlose Selbstauskunft beantragen.

Übersicht der aktuellen Telematik-Tarife: versicherungsbote.de

Kostenlose HIS-Selbstauskunft: www.informa-his.de/