© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Haltungsnote
Wagemut und Wahnsinn
Christian Rudolf

Typisch EKD: Da interessieren sich Jugendliche nun schon mal für die Kirche, setzen ihr Leben aufs Spiel, um ganz mit ihr verbunden zu sein, und dann ist es auch wieder nicht richtig. „Das wird angezeigt“, polterte der Dekan von Ulm, Ernst-Wilhelm Gohl. „Das ist nun wahrlich alles andere als Sport oder gar Spaß.“ Ein wagemutiger „Draufgänger“ war dem Ulmer Münster aufs Dach gestiegen – nicht etwa aus Ärger über die zeitgeistigen Verirrungen der Evangelischen, sondern wegen des Nervenkitzels: Im Schutze der Dunkelheit hatte sich ein Freikletterer an der Fassade über die oberste Aussichtsplattform hinaus bis knapp unter die Spitze des höchsten Kirchturms der Welt vorgearbeitet. Näher, mein Gott, zu Dir! Bei dem Kunststück, äußerste Selbstbeherrschung mit totalem Wahnsinn zu vereinen, filmte sich der Jüngling mit einer GoPro und stellte das Video vor wenigen Tagen ins Netz.

Den Namen des Dekans kennen wir, den des kircheninteressierten jungen Mannes nicht. Aber weil er sich so eisern festgehalten hat, war er wie geschaffen für die Haltungsnote. „Roofing“ nennt sich dessen unnachahmliches Hobby, dessen Gruppe „Grave Yard Kidz“ („Friedhofskinder“). Wie makaber. Deren „krasseste“ Aktion sei Ulm „auf keinen Fall“ gewesen.