© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Grausam und tierschutzwidrig geschreddert
Den Wasserkraftwerken fallen alljährlich unzählige Aale zum Opfer / Seit 1998 auf der „Roten Liste“
Joachim Weydt

An der deutschen Stromerzeugung ist die Wasserkraft laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft nur mit 3,4 Prozent beteiligt. Der Beitrag der Kleinanlagen an Nebenflüssen bewegt sich jeweils im Promillebereich. Der ökologische Schaden, den sie anrichten, ist hingegen nicht zu vernachlässigen, wie ein an die Nahe und den Main führender Bericht von Alexandra Diezemann über die „Tötungsmaschine“ Wasserkraftwerk zeigt (Mensch und Tier, 1/16).

Vermeintlicher „Ökostrom“ aus deutscher Wasserkraft?

Opfer der Rechen und Turbinen an den etwa 8.000 deutschen Wasserkraftanlagen ist zunehmend der Europäische Aal (Anguilla anguilla). Dieser fetthaltige Gourmetfisch ist ein Naturwunder, doch gerade die Komplexität seines „globalisierten“ Lebens droht dem seit 1998 auf die „Rote Liste der gefährdeten Arten“ gesetzten Wanderer zwischen den Welten den Garaus zu machen. Denn die Laichgründe dieses europäischen Raubfisches befinden sich zwischen den Archipelen von Bermudas und Bahamas.

Die in der westatlantischen Sargassosee geschlüpften Larven schwimmen mit dem Golfstrom an die Nord- und Ostseeküste, von wo sie – inzwischen zu Glasaalen entwickelt und ihre Lebensweise von Salz- auf Süßwasser umstellend – die Flüsse Nordeuropas besiedeln. Um ihre Art zu erhalten, müssen die erwachsenen Tiere (Blankaale), nach durchschnittlich zehn Jahren in ihren Flußbiotopen zurück: „zum Laichen und Sterben“ in die Sargassosee.

In jedem Herbst macht sich darum ein Aal-Jahrgang auf die bis zu 15monatige Rückreise zum Geburtsort. Für Millionen von ihnen, die aus dem Geäder der Zuflüsse zu Rhein oder Elbe streben, endet der Weg aber in den Wasserkraftturbinen. Die Behauptung von Anlagebetreibern, so zitiert Diezemann den Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Lahn, es gäbe vor den Turbinen Schutzgitter (Rechen), die die Fische aufhielten, sei falsch. Obwohl in Hessen ein enger Abstand von 15 Millimetern zwischen den Rechenstäben gesetzlich vorgeschrieben ist, sei noch nicht einmal ein Prozent der Anlagen entsprechend umgerüstet worden, so daß die meisten Rechenweiten zwischen 30 und 100 Millimetern lägen.

Man könne folglich davon ausgehen, daß fast alle der abwandernden Blank­aale in den hintereinander gestaffelten Wasserkraftwerken „grausam und tierschutzwidrig geschreddert werden“. Ebenso trifft es zu 30 Prozent abwandernde Junglachse. Mithin würde der erhebliche ehrenamtliche Aufwand, den Mitglieder der IG Lahn für Erbrütung, Aufzucht und Wiederansiedlung dieser beiden Wanderfischarten erbringen, weitgehend zunichte gemacht. Die bei einigen Werken angebauten Fischabstiegsanlagen hätten keine Abhilfe geschaffen, was nach Einschätzung des Umweltbundesamtes nicht erstaune, da sie „weltweit nirgendwo funktionieren“.

Daher gäbe es keine Alternativen zur Stillegung der Turbinen sowie zum ökologischen Rückbau der Wehr- und Stauanlagen, sagt Thomas Hartmann, Vizepräsident des Unterfränkischen Fischereiverbandes. Von „Nachhaltigkeit“ könne beim vermeintlichen „Ökostrom“ aus Wasserkraft keine Rede sein, wenn dessen Erzeugung mit der Vernichtung von Aal und Lachs bezahlt werde. Um die Stillegung zu forcieren, sollten die hohen Subventionen (Stichwort: Erneuerbare-Energien-Gesetz/EEG) für alle Wasserkraftwerke eingestellt werden. Deren volkswirtschaftliche Bedeutung sei marginal, einige wenige Betreiber profitierten zu Lasten der Umwelt. In allen Fließgewässern hätten diese Anlagen nicht nur „verheerende Wirkung“ auf die Aalbestände, sondern auf alle anderen Fischarten, da nicht selten gesetzliche Vorgaben für das Restwasser, das zum Schutz von Wassertieren in Flüssen und Bächen bleiben muß, mißachtet würden. Der bayerische Landesfischereiverband habe deswegen 2016 erstmals fünf Kraftwerksbetreiber angezeigt.

Landesfischereiverband Bayern: lfvbayern.de