© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Cersei und Daenerys in Schwierigkeiten
In der sechsten Staffel von „Game of Thrones“ haben gleich mehrere Hauptdarstellerinnen nichts zu lachen
Ronald Gläser

Selbst Präsident Barack Obama hat sich unlängst als Serienjunkie offenbart. Die Macher von „Game of Thrones“ haben durchsickern lassen, daß der mächtigste Mann der Welt sich exklusiv vorab die Serie hat zeigen lassen. Außer ihm durfte kaum jemand die neuen Folgen sehen. Auch die üblichen TV-Kritiker bekamen nichts vom produzierenden Sender HBO vorab serviert. Nur eine winzige Auswahl von Super-Promis durfte die erste Folge schauen.

Die Produzenten setzen auf maximale Geheimhaltung. Bis hin zum letzten Kabelträger und Visagisten sind sämtliche an der Produktion beteiligten Mitarbeiter darauf eingeschworen. Bislang ist kaum etwas durchgesickert, was auf den Fortgang der Geschichte schließen läßt. Die Geheimniskrämerei funktioniert ähnlich gut wie im Falle des siebten Teils von „Krieg der Sterne“, der im Dezember herauskam und mit mehreren Überraschungen aufwartete, über die bis zur Premiere rein gar nichts durchgesickert ist.

Jon Snow wird wohl das Attentat überleben

Die Tatsache, daß Kit Harington an einem Drehort gesehen worden ist, sorgte sofort für Schlagzeilen, weil er den in der letzten Folge ermordeten Serienhelden Jon Snow verkörpert. Nun spekulieren die Fans, ob und wie der Bastard von Ned Stark möglicherweise von den Toten wiederaufersteht – was auch anderen Darstellern schon gelungen ist. Die Priesterin Melisandre (nach ihr ist die erste Folge der neuen Staffel „Die rote Frau“ benannt), die dem Herrn des Lichts dient und gerade in der Nähe ist, als Jon Snow im Julius-Cäsar-Stil von den eigenen Weggefährten erdolcht wird, könnte ihn zurückholen. 

Mehrere der Schauspieler berichten, daß der Serientod von Jon Snow einige Fans um den Verstand gebracht zu haben scheint. Carice van Houten, die jene Lady Melisandre spielt, spricht von wüsten Beschimpfungen von Fans, die im nachhinein mit folgender Ankündigung relativiert werden: „Aber wenn du Jon Snow rettest, verzeihen wir dir.“

Auch Natalie Dormer (Margaerie Tyrell) berichtet, daß sie auf der Straße angepöbelt wird. Selbst in Frankreich habe sie immer wieder den Vorwurf „Il est mort“ („er ist tot“) hören müssen.

Nicht nur die Geheimhaltung macht es schwierig, etwas über die neue Staffel zu sagen: Noch schlimmer ist, daß die Serie nunmehr über keine Romanvorlage mehr verfügt, an der sie sich orientieren könnte. George R. R. Martin, der Autor von „Das Lied von Eis und Feuer“, arbeitet sehr langsam. Seine fünf Bände dienten als Grundlage, von der mal mehr, mal weniger abgewichen wurde. Martins letztes Buch ist 2011 erschienen. 

Seitdem warten die Schmöker-Fans vergeblich auf Nachschub. Zum Jahreswechsel 2016 mußte er eingestehen, daß er das neue Buch nicht fertigkriegt. Angeblich konnten die Drehbuchautoren Einblick in sein unfertiges Manuskript nehmen, aber das ist ja noch nicht abgeschlossen. Somit bewegt sich die Serie jetzt im luftleeren Raum. Das ist schade, denn daß sich Buch und Serie nach mehreren Staffeln noch weiter voneinander entfernen wie ein geschiedenes Ehepaar wäre ein Unikum in der jüngeren Fernsehgeschichte. 

Zusammen mit den bislang noch unberücksichtigten letzten Handlungssträngen aus der Romanvorlage und den äußerst spärlich durchgesickerten Informationen zeichnet sich Folgendes ab: Vor allem die weiblichen Hautpfiguren kommen in Schwierigkeiten. 

Da ist zunächst die Drachenkönigin Daenerys. Die Letzte der Targaryens gerät nach ihrer Flucht aus Meereen vor Aufständischen in die Gefangenschaft des hunnenähnlichen Reitervolks der Dothraki, das sie für sich schuften läßt. Damit ist ihr Traum von der Rückeroberung des Eisernen Thrones in Königsmund bis auf weiteres ausgeträumt, zumal die Rebellen namens „Söhne der Harpyie“, die Daenerys verjagt haben, neue Bluttaten begehen. Tyrion Lannister Varys übernehmen die Macht in Meereen. Keine leichte Aufgabe. 

Neuland ohne vollständige Romanvorlage

Auch die Königinmutter von Westeros Cersei Lannister war zu Beginn der fünften Staffel noch mächtiger denn je, stürzte dann aber gefährlich ab: Sie wartet in Königsmund auf ihren Prozeß wegen Untreue. Ihr Königshaus befindet sich auf dem absteigenden Ast. Die Romanvorlage endet mit der Ermordung ihres Onkels Kevin Lannister, der in der TV-Serie nur eine Nebenrolle ausfüllt. Das läßt den Schluß zu, daß die Macht der Lannisters weiter erodiert. 

Aber nicht kampflos. Cersei, ihr Zwillingsbruder Jaime und ihr gemeinsamer Sohn Tommen, der Kindkönig von Westeros, nehmen den Kampf auf. Sie sagt zu Tommen: „Zeig ihnen, was wir Lannisters mit unseren Feinden machen.“ Einem Kontrahenten, der sie warnt („Sonst gibt es Gewalt“), antwortet sie trocken: „Ich wähle Gewalt.“ Währenddessen umstellt Jaime mit einer Armee die Kathedrale von Königsmund. Der Religionskrieg geht also in die nächste Runde.

Zu guter Letzt Sansa Stark. Sie flieht nach ihrer Zwangsheirat mit Ramsay Bolton gemeinsam mit ihrem alten Vertrauten Theon Graufreud aus Winterfell. Die junge Frau hat den Wandel vom zarten Unschuldslamm zur selbstbewußten Tochter Ned Starks vollzogen. 

Für sie besteht die beste Sozialprognose der drei Ladys. Vielleicht gelingt es Sansa, die Herrschaft ihres Hauses über den Norden von Westeros wiederherzustellen. Bösewicht Ramsay Bolton scheint es in der neuen Staffel an den Kragen zu gehen. Sansa jedenfalls überlebt die zehn neuen Folgen, denn Schauspielerin Sophie Turner hat auf dem roten Teppich bei der Oscar-Verleihung angeblich verraten: „Okay, ich bin für diese Staffel in Sicherheit.“ 

Eine Serie von kurzen Trailern, die im März veröffentlicht worden war, lud zu weiteren Spekulationen ein: Darin sind unter anderem die Totenmasken von Tyrion und Daenerys in der „Halle der Gesichter“ in Braavos zu sehen. Die Zuschauer, die sich deshalb über den möglichen Tod gleich zweier weiterer  Hauptfiguren empörten, kennen die Romanvorlage nicht. Darin träumt Ned Starks zweite Tochter Arya von jenen Totenmasken und sieht dort auch Personen, die noch lebendig sind. 

Gleichwohl steht fest, daß auch in der sechsten Staffel der Serie weiterhin gekämpft, geblutet und gestorben wird. Im Akkord. „Game of Thrones“ ist ein einziges Gemetzel. Es zeigt den gnadenlosen Kampf um die Macht in allen Facetten, aber auch mit all seiner Grausamkeit. Wer etwas über das wahre Leben erfahren will, darf sich die neuen Folgen dieser Fantasyserie nicht entgehen lassen.

Game of Thrones: Ab 25. April, 21 Uhr, strahlt Sky die sechste Staffel der Kult-Serie aus.