© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Zeitschriftenkritik: Stern Crime
Auf den Spuren der Yakuza
Lukas Steinwandter

Dürfen Bürger gegen das Recht verstoßen, um die Rechtsordnung wiederherzustellen? Er habe eine „illegale Handlung im Interesse der Justiz“ vollzogen, meinte André Bamberski, nachdem er 2009 den Mörder seiner Tochter entführen und ihn verletzt, gefesselt und geknebelt am Straßenrand der Polizei präsentieren ließ. Ist so eine Handlung einem zivilisierten Staat angemessen? Dieser Frage geht Stern-Autor Malte Herwig in einem Essay in der sechsten Ausgabe von Crime nach. Das zweimonatlich erscheinende Magazin hält, was der Titel verspricht: Geschichten über grauenhafte Verbrechen, große Kriminalfälle und Kriminologen. 

Israel Ticas arbeitet als Forensiker in El Salvador, dem Land mit der höchsten Mordrate der Welt. Bewaffnet mit Helm, Stirnlampe, Pistole und Spaten steigt der 52jährige in umständlich gegrabene Stollen, die seitlich zu Massengräbern mehrere Meter unter der Erdoberfläche führen. Er wolle sich den Leichen nicht „von oben nähern und womöglich Beweise vernichten“, erklärt Ticas seine mühselige Arbeit. In dem geschilderten Fall liegen die verwesten Körper einer jungen Familie 15 Meter unter der Erde. „Vermutlich wurde zunächst das Kind in den Schacht geworfen, vor den Augen von Mutter und Vater. Das ist eine beliebte Methode, um Eltern zu quälen“, meint der Forensiker. Außerhalb der Gated Communities gebe es keine sicheren Orte. Auch Ticas bekommt Morddrohungen. Vor seinem Schachteingang stehen drei mit Sturmgewehren bewaffnete Polizisten. 

Großformatige Fotos von Yakuza-Mitgliedern leiten den Beitrag „Die Paten von Tokio“ ein. Die Bilder schoß Anton Kusters. Der Belgier erlebte 2009 in einem Lokal im Rotlichtbezirk Kabukicho in Tokio eine Schutzgeldzahlung. In diesem Moment wurde ihm das Thema seines nächsten Projektes klar: die Yakuza. Über zehn Monate dauerten die Verhandlungen mit einem Gangster aus der mittleren Hierarchie, ehe Kusters mit dem Paten sprechen durfte. Es war seine Hartnäckigkeit, die die Yakuza überzeugte. Der Fotograf durfte den gefürchteten Clan zwei Jahre lang begleiten. Die Yakuza verstehen sich als Bewahrer japanischer Tradition, Ehre und Loyalität sind ihnen wichtig. Als der Pate nach einem Schlaganfall im Sterben lag, reiste Kusters, der zwischendurch nach Hause zurückgekehrt war, sofort wieder nach Japan, um dem Sterbenden einen letzten Besuch abzustatten. Für die Mafiosi war das der endgültige Vertrauensbeweis. Deswegen durfte der Belgier auch an der Beerdigung teilnehmen – eine sehr seltene Ehre. Im zweiten Jahr seiner Begleitung erlebte Kusters das verschärfte Vorgehen der Polizei gegen die Yakuza. Inzwischen ist der Clan von seinem traditionellen Gewerbe wie Schutzgelderpressung und Prostitution weitgehend abgewichen und konzentriert sich auf Wirtschaftskriminalität. 

Auflockerung nach den atemraubenden und teils bedrückenden Geschichten bieten das Werkstattgespräch mit der Krimi-Erfolgsautorin Elisabeth Herrmann sowie Buch- und Filmempfehlungen. 

Kontakt: Gruner + Jahr, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg, Tel.: 040 / 37 03-0. Das Einzelheft kostet 4,80 Euro, ein Jahresabo 28,80 Euro.

 www.stern-crime.de