© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Schwarz-grüne Kapitaldeckung
Deutschlandrente: Ein zentraler Staatsfonds auf Selbstkostenbasis soll die Altersvorsorge ergänzen
Thomas Kirchner

Ob Asyl, Familienpolitik oder Grenzkontrollen – es ist selten, daß CSU und SPD einer Meinung sind. Bei einem Thema scheinen sich beide nun weitgehend einig: „Die Riester-Rente ist gescheitert“, sagt CSU-Chef Horst Seehofer. „Wir brauchen eine große Rentenreform“, um zu verhindern, daß „die Hälfte der Bevölkerung in der Sozialhilfe landet“. Andrea Nahles klagt: „Die hochfliegenden Erwartungen, die Anfang der 2000er Jahre mit der Riester-Rente verbunden waren“, so die SPD-Arbeitsministerin, die seien „nicht eingelöst worden“.

Und in der Tat: Bei Riester- und anderen fragwürdigen Altersvorsorgeverträgen werden die Versicherten „garantiert beschissen“, wie Holger Balodis und Dagmar Hühne in ihrem gleichnamigen Buch eingehend darlegen (JF 11/16). Mit der Finanz- und Eurokrise sowie der Niedrigzinspolitik sind die zweite und dritte Ebene des Rentensystems – betriebliche und private Vorsorge nach dem Kapitaldeckungsverfahren – zusätzlich in schweres Fahrwasser geraten. Doch was tun? Darüber wird nun heftig gestritten. Die Versicherungslobby will das lukrative Riester-Modell prinzipiell beibehalten und mit Steuergeld wieder attraktiver gestalten: Der Höchstbetrag der Riester-Förderung soll einfach von 2.100 auf 3.000 Euro jährlich steigen – wenn es klappt, ein Milliardenversprechen. Denn laut Bundesfinanzministerium sind allein zwischen 2002 und 2010 in die inzwischen 16,5 Millionen Riester-Verträge etwa 25 Milliarden Euro an staatlicher Förderung geflossen. Der Großteil davon ging für Abschluß-, Vertriebs- und Verwaltungskosten drauf.

Die drei hessischen Landesminister Thomas Schäfer, Stefan Grüttner (beide CDU) und Tarek Al-Wazir (Grüne) schlagen eine vierte Säule vor: „Die Deutschlandrente ist ein einfaches, kostengünstiges Standardprodukt für jedermann. Sie wird zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet“, heißt es in ihrem Positionspapier. An einer kapitalgedeckten Deutschlandrente ist prinzipiell nichts auszusetzen. Aber ein solcher Deutschlandfonds wäre kein Staatsfonds, sondern ein klassischer Pensionsfonds. Der Unterschied liegt in der Finanzierung: Bei Staatsfonds werden staatliche Einnahmen aus Rohstoffen wie Erdöl oder Gas zum Wohl des gesamten Staates investiert. Pensionsfonds wie der vorgeschlagene Deutschlandfonds werden aus Beiträgen gespeist und kommen nur denen zugute, die eingezahlt haben.

Erfolgreiche Beispiele und staatliche Plünderungen

Dank umsichtiger Investitionen sind einige Fonds zu den größten der Welt aufgestiegen. Japans Beamtenfonds GPIF liegt mit 1,1 Billionen Dollar an der Spitze. Der norwegische Statens Pensjonsfond Utland hat Anlagen von 900 Milliarden Dollar und erwirtschaftete durch Beteiligung an über 9.000 Unternehmen in 75 Ländern zwischen 1998 und 2015 im Schnitt eine jährliche Nettorendite von 3,7 Prozent. Nur 1,9 Prozent gingen für Kosten und Inflationsausgleich drauf. Auch in Deutschland gibt es erfolgreiche Beispiele, etwa den Pensionsfonds des Bankgewerbes (BVV) oder die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Journalisten der öffentlich-rechtlichen Anstalten profitieren von Renten aus der kapitalgedeckten Pensionskasse Rundfunk.

Gleichzeitig gibt es genug Fälle staatlicher Plünderungen, sobald sich in Pensionsfonds genug Kapital angesammelt hat. Legendär ist die Verstaatlichung der privaten Rentenvorsorge zur Stopfung von Haushaltslöchern in Argentinien durch die damalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Anleger erhielten als „Ausgleich“ Staatsanleihen mit nominal gleichem Wert – ob die je ausgezahlt werden steht in den Sternen. Auch in den USA können Politiker ihre Finger nicht stillhalten. In Jahren guter Aktienrenditen wurden die Beiträge reduziert, so daß heute fast alle öffentlichen Pensionsfonds unterkapitalisiert sind. Dramatisch ist die Lage im New Yorker Nachbarstaat New Jersey, dem wegen der unterfinanzierten Pensionen in ein paar Jahren die Pleite droht. Nicht viel besser sieht es in Pennsylvania aus, wo der Fonds auf lange Sicht neun Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaften müßte, um alle versprochenen Renten zu finanzieren. Angesichts der Nullzinspolitik und hoher Unternehmenswerte wird es auch anderswo schwierig, eine ausreichende Rendite zu erzielen.

„Qualifiziert“ und „billig“ passen nicht zusammen

Bei Aktieninvestitionen kann der Staat die Kontrolle über Unternehmen durch die Hintertür erlangen. Norwegen löste dieses Problem durch ein Verbot von Investitionen im Inland. Würden Beamte den Deutschlandfonds verwalten, wie die hessischen Landesminister vorschlagen, wären die Kosten zweifellos niedrig. Ob sich unterm Strich aber ein wirtschaftlicher Erfolg einstellen würde, ist angesichts anderer Staatsinvestitionen (Stichwort: Flughafen BER) zweifelhaft. Vermutlich würde der Deutschlandfonds wie in der Branche üblich spezialisierte Vermögensverwalter zu marktüblichen Konditionen engagieren, so daß sich kaum Verwaltungskosten sparen lassen. Außerdem investieren echte Staatsfonds wie in Abu Dhabi in Hedgefonds und bei Private Equity, wo die Gebühren vergleichsweise hoch sind. Dazu kommt, daß die genaue Vermögensaufstellung von großen Beratungsfirmen (Consultants) geplant und überwacht wird, was weitere Kosten verursacht. „Qualifiziert“ und „billig“ passen nicht zusammen.

Ein Nebenaspekt dürfte den schwarz-grünen Koalitionären ebenfalls kaum schmecken: Eine Deutschlandrente würde der geplanten Finanztransaktionssteuer wohl den Todesstoß versetzen. Nach Berechnungen der Fondsverwaltung Blackrock hätte sie Anleger im Jahr 2010 in europäischen Aktienfonds 2,57 Prozent Rendite gekostet. Der Staat kassierte also mehr ab als die Verwaltungsgesellschaften durch ihre Gebühren.

Positionspapier zur Deutschland-Rente:  finanzen.hessen.de

Statens Pensjonsfond Utland in Norwegen:  www.nbim.no