© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

„Rappen, das nimmt mir keiner ab“
Präsidentschaftswahl Österreich: Der FPÖ-Politiker Norbert Hofer will frischen Wind in die Hofburg bringen
Verena Inauen

Deine Heimat braucht Dich jetzt“ ist in ganz Wien an prominenter Stelle zu lesen. Die FPÖ setzt mit Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer auf Patrioten. Im Wahlkampf um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten stehen die Kandidaten unter Strom. Ein kleines Land, ein großer Kampf zwischen einer parteiunabhängigen Juristin, einem medienbekannten Bauunternehmer und vier Männern aus den vier Parlamentsparteien SPÖ, ÖVP, Grüne und FPÖ. 

Für den freiheitlichen Bundespräsidentschaftskandidaten Hofer beginnt der Tag unseres Treffens um 6.15 Uhr morgens. Eigentlich wohnt der derzeitige Dritte Nationalratspräsident mit seiner Familie im Burgenland, unter der Woche schläft er aber in einer Wohnung in Wien. Wo er abends ungestört noch zur Entspannung ein paar Takte aus den siebziger Jahren auf seiner Gitarre spielen kann, ohne daß seine Frau Verena seine musikalischen Versuche kritisiert, wie er uns zur Begrüßung erzählt.

Die Bekanntheitskurve Hofers stieg rasant an  

Beim Frühstück mit Dinkelweckerl und Kaffee ist Hofer bereits voll im politischen Alltag angekommen und ruft alle Neuigkeiten, Informationen und Zeitungsmeldungen im Kurzüberblick auf seinem Handy ab. Während der Fahrt mit dem nun zu Wahlkampfzwecken beklebten Auto folgen bereits erste Anrufe seiner Mitarbeiter: Demnächst steht eine Ballonfahrt mit Journalisten an, erzählt uns der gelernte Flugzeugtechniker begeistert. 

Trotz seines schweren Paragleit-Unfalls in der Steiermark 2003, der ihn noch heute zu Rehabilitationsübungen zwingt, wagt sich der Freiheitliche wieder in die Lüfte. So will er den Blick für das Wesentliche schärfen und manche Probleme aus der Vogelperspektive betrachten. 

Im Hohen Haus an der Ringstraße warten bereits Vorfeldorganisationen der Freiheitlichen in seinem Büro und übergeben eine Box mit gesammelten Unterstützungserklärungen. Insgesamt 20.000 beglaubigte Signaturen konnte die FPÖ für ihren Spitzenkandidaten sammeln. Ein Bild für die sozialen Netzwerke folgt prompt. 

Dort werden im Gegensatz zu den übrigen Kandidaten auch täglich die aktuellsten Umfragen publiziert, aber ebenso die eigenen Positionen verstärkt. Nach jedem öffentlichen Auftritt, zumeist im rotgefärbten ORF, geht die Sympathiekurve für den 45jährigen steil nach oben. 

Obwohl wie so oft noch eine Sitzung des Nationalrates stattfindet, ruft davor noch ein Termin im freiheitlichen Medienbüro. Der parteieigene Fernsehsender FPÖ-TV bastelt an mehreren Videobotschaften mit den Positionen des „künftigen Bundespräsidenten“. 

Wahlkampflieder und politische Raps nach dem Vorbild von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache lehnt Hofer ab: „Ich kann gerne eine Gitarre nehmen und etwas vorsingen, aber Rappen, das nimmt mir keiner ab. Mir ist es total wichtig, daß ich mich nicht verstellen muß. Das ist der Schlüssel dazu, daß man einen Wahlkampf relativ unaufgeregt führen kann.“ 

Aufregend allerdings gestaltet sich die folgende Nationalratssitzung, wo sich die jeweiligen Präsidenten in ihrem Vorsitz oftmals bis in die späten Nachtstunden abwechseln. Wie so oft in den vergangenen Monaten werden die Flüchtlingsthematik und die Vorgehensweise der aktuell rot-schwarzen Regierung diskutiert. Ein Thema, daß den freiheitlichen Forderungen zupaß kommt und welches Hofer auch im Wahlkampf zu nutzen weiß.

Mehr direkte Demokratie wagen

Es gehe darum, die Kultur, Werte, Traditionen und die Sicherheit Österreichs „gegen die neue Völkerwanderung“ zu verteidigen. Die EU als „Schulden- und Haftungsunion“, die nur zu Lasten kommender Generationen gehe, lehnt er ebenso ab wie „Wahnsinnigkeiten“ beim Freihandelsabkommen TTIP. Stärken möchte der Steirer die heimischen Arbeitsplätze  – „Österreich zuerst“ müsse auch hier gelten –, aber auch die Landesverteidigung. Vor allem gehe es aber darum, mehr direkte Demokratie zu wagen.

Doch während Hofer parteiintern durch ein hartes Programm hervorsticht, polarisiert er nach außen hin  weniger als etwa Kollegen wie Strache oder FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl.

Dennoch nimmt er kein Blatt vor den Mund. Als Bundespräsident hätte er bereits im Vorfeld darauf „eingewirkt“, daß die technischen Voraussetzungen geschaffen worden wären, um das „unregistrierte Überschreiten unserer Staatsgrenze“ zu verhindern. Ein Bundespräsident müsse aber überparteilich agieren, erklärt Hofer dann im Nachsatz. „Ich würde auch einen grünen Bundeskanzler oder eine grüne Bundeskanzlerin angeloben, wenn damit der Wille der Bürger bei vorangehenden Nationalratswahlen umgesetzt wird. Niemals würde ich den Nationalrat aus eigenem Antrieb auflösen.“ 

Die von der FPÖ propagierte Forderung, das Amt des Bundespräsidenten abzuschaffen, nimmt der langjährige Parteifunktionär gelassen. Die Erfahrung habe ihm gezeigt, daß die wenigsten Bürger sich diese wichtige Entscheidung nehmen lassen wollen. 

Hofer blickt der Wahl am 24. April  entspannt entgegen. In einer möglichen Stichwahl am 22. Mai fühlt er sich gegenüber jedem seiner politischen Gegner gewappnet. Umfragen zufolge liegt der grüne Kandidat Alexander Van der Bellen mit 24 bis zu 30 Prozent Zustimmung in Front, Hofer folgt mit Werten zwischen 21 und 27 Prozent. Platz drei belegt die von den linksliberalen Neos unterstützte, parteilose Juristin Irmgard Griss (18 bis 24 Prozent), gefolgt von Rudolf Hundstorfer (SPÖ, 11 bis 17 Prozent), Andreas Khol (ÖVP) (10 bis 14 Prozent) sowie dem Baulöwen Richard Lugner (JF 14/16), der mit Werten zwischen drei und fünf Prozent aufwartet.

Foto: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer auf Werbetour: „Mir ist es total wichtig, daß ich mich nicht verstellen muß“