© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„Wir sind wieder da“
Christian Schreiber

Es ist sicher kein Zufall, daß der Bundesparteitag der FDP am kommenden Wochenende in Berlin stattfindet. Es ist zweieinhalb Jahre her, daß die 93 Abgeordneten ihre Büros im Reichstag räumen mußten.  Mit 4,7 Prozent flog die FDP erstmals in ihrer Geschichte aus dem Parlament. Die Folgen für die Partei waren weitreichend. Fast das gesamte Spitzenpersonal wurde ausgetauscht, die Bundesgeschäftsstelle im Thomas-Dehler-Haus wurde personell und räumlich ausgedünnt. Die Wahl des Tagungsortes soll nun signalisieren: „Wir sind wieder da.“  

Anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl befinden sich die Liberalen in einer Situation, die sie sich vor einigen Monaten wohl kaum hätten besser ausmalen können. Bei den Landtagswahlen am 13. März schafften sie in Rheinland-Pfalz und  Baden-Württemberg deutliche Zuwächse, in Sachsen-Anhalt verfehlten sie den Einzug ins Parlament nur denkbar knapp. Alle Meinungsumfragen sehen die FDP derzeit deutlich über der Fünprozenthürde, in ihren Hochburgen Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz winken ihr sogar zweistellige Ergebnisse. Doch die Partei gibt sich geläutert und bescheiden. „Wir werden nie wieder unsere Inhalte verkaufen“, sagt Wolfgang Kubicki, Landeschef in Schleswig-Holstein. Es ist auch eine deutliche Warnung an die CDU. 

Die Liberalen kennen ihren neuen Marktwert. Die FDP des Jahres 2016 ist ganz auf den 37 Jahre alten Parteichef Christian Lindner zugeschnitten. Er gibt sich pragmatisch und unideologisch. Viele FDP-Anhänger, die 2013 ihre Sympathien für die AfD entdeckt hatten, sind zurückgekehrt. Zwischen der AfD, der nach links gerückten CDU, hat die FDP ihren Platz gefunden. Die Anträge zum Bundesparteitag zeigen dies. 

Die FDP will mit dem Thema Digitalisierung in den Wahlkampf ziehen. Deutschland solle technologisch nicht von anderen Ländern abhängig sein, dies gilt auch bei der Zusammenarbeit von Geheimdiensten. Die zunehmenden Sicherheitsmaßnahmen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus dürften nicht dazu führen, daß der Bürger unter Generalverdacht gestellt werde. Um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen, fordert die FDP eine engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene und einen gerechten Verteilungsschlüssel. „Wir haben die Nerven behalten“, sagt Lindner. Man habe sich weder von Rechtspopulisten beeinflussen lassen, noch habe man sich mit Angela Merkels „Politik der grenzenlosen Aufnahme“ gemein gemacht. „Die Kanzlerin ist gescheitert“, sagt Lindner selbstbewußt.  

Dabei will die Partei auch heiße Eisen anbacken. So finden sich in den Anträgen auch Forderungen nach einer Radikal-Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zudem hat die FDP das Thema „Bargeldverbot“ für sich entdeckt. „Bargeld ist Freiheit“, sagt Generalsekretärin Nicola Beer, und der Parteivorsitzende erklärt: „Diese Positionen sind nicht verhandelbar.“ Ob das gleichbedeutend mit einem Gang auf die Oppositionsbank im Herbst 2017 sein könnte? „Damit hätte ich gar kein Problem“, sagt Lindner.