© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

Netzwerk mit Nutzwert für die USA
ICIJ: Hintergründe über das Netzwerk investigativer Journalisten, das hinter den „Panama-Papers“ steckt
Ronald Berthold

Selten bejubelte die deutsche Medienbranche eine Veröffentlichung so sehr wie die Enthüllung der „Panama-Papers“. Selbst Redaktionen, die nicht daran beteiligt waren, schickten Glückwünsche an die Süddeutsche Zeitung (SZ), die für Deutschland mit WDR und NDR an der Recherche beteiligt war. Doch auch Tage danach bleiben zentrale Fragen offen. Wo bleibt die journalistische Einordung dieser Daten? Und wie seriös ist das internationale Recherchenetzwerk International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)? 

Auffällig ist, daß das in der US-Hauptstadt Washington sitzende ICIJ nur wenige Namen bekannt macht. Unter seinem Dach findet die Enthüllung statt, die in Deutschland die SZ übernommen hat. In diesem Zusammenhang sparte der Leiter des SZ-Investigativressorts, Hans Leyendecker, nicht mit Eigenlob. Er verschwieg aber, daß die Stiftung des US-Multimilliardärs und internationalen Strippenziehers George Soros das ICIJ unterstützt. Auch die Rockefeller-Stiftung sowie andere ähnlich ausgerichtete „Denkfabriken“ finanzieren das sogenannte Recherchenetzwerk, schreibt es auf seiner Homepage.

Könnten diese einflußreichen Organisationen, die im Sinne einer Globalisierung unter Führung der USA arbeiten, der Grund sein, daß kein einziger US-Amerikaner erwähnt wird, der in den vermeintlichen Skandal verwickelt ist? Dabei ist Panama für die USA und deren Wirtschaft seit den 1970er Jahren ein wichtiger Finanzplatz, der für Geldwäsche berüchtigt ist. Die Daten aus den „Panama-Papers“ reichen bis 1977 zurück.

Bislang hat sich das ICIJ vor allem um einen Punkt gekümmert – das Bankgeheimnis. Diese monothematische Ausrichtung deckt sich mit den Interessen der USA, mutmaßliche Steuersünder überall auf der Welt ausfindig zu machen. 

Zu diesem Zweck hat das Land Gesetze erlassen und Abkommen geschlossen, die ausländische Banken zwingen, die Namen offenzulegen. Auch beim Ende des Schweizer Bankgeheimnisses spielten die von ICIJ veröffentlichten „Swissleaks“ eine bedeutende Rolle. Schon damals erwähnt das Netzwerk George Soros, der das Projekt unterstützt habe.

Wie transparent ist ein solcher Scoop, wenn die Journalisten zugeben, nicht alle Namen bekannt zu machen? Warum wird vieles verschwiegen? Werden nur gefällige Informationen verbreitet, und weniger ins eigene Weltbild passende verschwiegen? Ist diese Enthüllung vielleicht mehr Politik als Journalismus? 

Viele Medien haben ihre Geschichten zu den „Panama-Papers“ mit Fotos des russischen Präsidenten Wladimir Putin bebildert. Doch dessen Name taucht nicht in den gehackten Daten auf. Der Kreml konterte, die beteiligten Journalisten seien „frühere Mitarbeiter des US-Außenministeriums, der CIA und anderer Geheimdienste“.

Wo genau der Skandal liegt, bleibt unklar

Richtig ist, daß in den Daten Freunde von Putin erwähnt sind. Journalisten bezeichnen diese als seine Strohmänner. Hier erfolgt eine Einordnung. Und die ist durchaus legitim. Doch wäre sie glaubwürdiger, wenn sie kein Einzelfall bliebe. Denn bislang fehlt der Hinweis, wo genau der Skandal liegt. Briefkastenfirmen sind nicht verboten. Nicht wenige Steuersparmodelle sind legal, wenn auch von den Finanzbehörden ungern gesehen. Eine Gewichtung der nun durch die Öffentlichkeit gejagten Namen würde bedeuten, daß die Medien informieren, wer sich tatsächlich strafbar gemacht hat. Bisher beschränkt sich die Berichterstattung auf nebulöse Beschuldigungen, das Schüren von Neid und das Moralisieren.

Daher stellt sich auch die Frage: Sind die „Panama-Papers“ überhaupt eine journalistische Meisterleistung? Gestohlene Daten, die völlig Unbekannte Reportern zuspielen, kann jeder publizieren. Das allein ist kein Qualitätskriterium. Es hat auch nichts mit eigener Recherche zu tun. Die liegt – wenn überhaupt – bei den Hackern. Doch wer sind diese Leute? Das herauszufinden, wäre eine eigene journalistische Leistung gewesen. Für unabhängige Reporter ist es auch wichtig zu wissen, wer sie zu instrumentalisieren und damit die Weltöffentlichkeit zu beeinflussen versucht. Erledigen wir vielleicht den Job für Geheimdienste, die Journalisten benutzen, um eigene Interessen zu verfolgen? Denn jeder weiß: Bei einer Berichterstattung vermeintlich seriöser Medien können Agenten dem Ruf ihrer Gegner viel mehr schaden, als wenn sie die Diffamierung selbst übernehmen. Die Frage nach der Quelle können oder wollen die beteiligten Medien jedoch nicht beantworten.

Zu den Merkwürdigkeiten der Affäre gehört das Verhalten der New York Times, die laut ICIJ mit diesem zusammenarbeitet. Doch das bestreitet das Blatt. Sie verweigerte sich dem international-medialen Empörungssturm und verzichtete auf große Berichterstattung. Die Zeitung erklärte, sie wolle die Sache erst einmal prüfen. Eine Haltung, die in Deutschland nicht weit verbreitet ist – wo Leitmedien die vom ICIJ freigegebenen Daten unrecherchiert und in unangemessenem Umfang übernahmen und feierten.