© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

Grüße aus Santiago de Cuba
Schauen wir gemeinsam
Alessandra Garcia

US-Präsident Barack Obama ist mit seinen Kongreßabgeordneten nicht bis Santiago de Cuba gekommen, auch die Rolling Stones nicht. Nur seine Worte und ihre Musik haben uns erreicht. Und ein Youtube-Video mit einem Zusammenschnitt jener Pressekonferenz in Havanna, auf der unser Präsident Rául Castro und Obama so schön zum Thema Menschenrechte aneinander vorbeiredeten.

Wer von meinen Freunden einen Computer oder ein Smartphone besitzt, hat diese Sequenz gespeichert. Tagtäglich treffe ich nun auf Bekannte, die sie mir zeigen wollen, und meist schauen wir dann gemeinsam, während eine Flasche Ron Santiago kreist, wie Obama unseren Präsidenten offenbar in seine Arme schließen will und dieser instinktiv geschickt ausweicht.

Im Ringen um symbolische diplomatische Gesten bleibt es beim null zu null.

Welch eine Symbolik! Das kleine Kuba entzieht sich öffentlich der Umarmung durch die USA. Und nach seiner eleganten Drehung ergreift der untersetzte 84jährige plötzlich den Unterarm des halb so alten und viel größeren Obama kurz über dem Handgelenk und reißt ihn, so weit dem kurzen kubanischen Präsidentenarm möglich ist, nach oben.

Aber nichts mit gemeinsamem Victoria und revolutionärem Triumph. Als wäre es gebrochen worden, läßt der Yankee sein Handgelenk sofort schlaff nach unten baumeln. Dabei bleibt es für wenige Sekunden. Dann löst Castro seinen Griff und beide Präsidenten, der auf einer von den USA annektierten Insel geborene und der auf einer seit sechs Jahrzehnten von den USA blockierten Insel mitregierende, grinsen – nun wieder mehrere Meter voneinander entfernt – spitzbübisch in die Kameras. Sie wissen natürlich um die Peinlichkeit des zurückliegenden Momentes.

Im Ringen um symbolische diplomatische Gesten bleibt es beim null zu null. Was war denn das jetzt? mag Obama sich fragen. Ich habe es zumindest versucht, scheint der kleine Armeegeneral zu denken. Inhaltlich nimmt ohnehin jeder Zuschauer das mit, was seiner Weltanschauung am ehesten entspricht. Meinem Nachbarn beispielsweise, einem pensionierten Obristen und überzeugten Kommunisten, gefällt am besten jene Szene, in der Castro den US-Präsidenten am Arm packt und ihm den Weg von der Bühne weist. Dann blickt der Comandante zum Publikum und den Millionen an den Bildschirmen, zu uns also, zurück, grinst, winkt kurz und tritt ebenfalls ab. 2018 soll es soweit sein, hat er uns versprochen.