© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

Dorn im Auge
Christian Dorn

Auf die DHL-Paketstation für Selbstabholer – neben dem Supermarkt, der bald abgerissen wird, um teuren Wohnungen Platz zu machen – hat jemand mit schwarzer Farbe „Refugees welcome!“ gesprüht. Im nahe gelegenen Einkaufszentrum dagegen läuft augenscheinlich jedesmal, wenn ich von der Postfiliale komme – als wäre es eine Szene aus der US-Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – auf dem Bildschirm im Erdgeschoß die Schlagzeile vom neu verabschiedeten „Asylpaket“ der Bundesregierung. Anders als bei der Post werden die Portokosten hier nicht angegeben.

Die ARD-Vorabendshow „Gefragt – Gejagt“ zeigt derweil auf symbolische Weise die Richtung der anstehenden Reise. Die Kandidatin, eine Jura-Absolventin türkischer Abstammung, die gerade ihr Referendariat macht, scheitert beinahe am Einstiegsquiz: Die einzige Frage, die sie zu beantworten weiß, ist jene nach der neuen deutschen Bezeichnung für Flüchtlinge. Sichtlich erleichtert, doch noch ihre Kompetenz beweisen zu können, kommen ihr die „Refugees“ über die Lippen.

Im Café stoße ich auf den Satz von Helmut Schmidt: „Wir können nicht noch mehr Ausländer verdauen.“ Passend dazu lese ich in der Berliner Zeitung die Schlagzeile: „Berlin hat einen Plan für Flüchtlinge“. Wo liegt der Fehler? Es müßte „gegen“ heißen, nicht „für“.

Während ich in der Zeitung einen Artikel über Marcus Pretzell lese, verlangt auch eine Französin an der Theke vor dem Backregal nach dem AfD-Politiker, allerdings in weiblicher Form: „Eine Pretzell, bitte.“ Auch die griechische Mythologie tritt in den Raum. Eine Mutter fordert ihren Sohn auf: „Schau mal, der Jason steht gerade an der Theke, geh mal hin und sag, was du willst“ – dem Jungen ist es nicht geheuer, er läuft zurück zur Mutter, als erwartete ihn am Tresen ein Ungemach. Indes schwärmt am Nachbartisch eine junge Lehrerin ihren Freundinnen von der „Willkommensklasse“ vor, die sie unterrichtet, wie wißbegierig und unglaublich dankbar die Kinder seien. Als ein syrischer Junge wegen Erkrankung für einige Tage zu Hause bleiben mußte, habe er bitterlich geweint, weil er unbedingt in die Schule wollte – anders als die deutschen Kinder.

Hilfe verspricht angesichts des ganzen Irrsinns in den Nachrichten nur noch die Heilserwartung im autoreflexiven Sprachspiel: Tanz den Lanz, God stress America, # Regretting Brotherhood und – nicht zuletzt – EU-Dämonie. Nur auf der Speisekarte fehlt noch etwas: der „Raute-Salat“.