© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

Schmutzig durch Verdacht
„Panama Papers“: Auf den zweiten Blick sind die Enthüllungen wenig spektakulär
Markus Brandstetter

Auf den ersten Blick ist der Süddeutschen Zeitung ein gewaltiger Coup gelungen: 11,5 Millionen Dokumente, die zusammen eine Speichergröße von 2,6 Terabyte besitzen – das ist so viel wie 20.000 komplette Enzyklopädien, also die Datenmenge einer Uni-Bibliothek –, hat das Blatt von einem Informanten zugespielt bekommen. Und der Inhalt dieses Datenmeeres ist, glaubt man der Süddeutschen, enorm brisant, zeigt er doch, daß die Großen und Mächtigen dieser Welt in Steueroasen Briefkastenfirmen unterhalten, wo sie illegal erworbene und nicht versteuerte Gelder parken, um nach dem Abschied von Amt, Macht und Würden in Saus und Braus zu leben. 

Die von den Journalisten gefundene Spur führt in den mittelamerikanischen Staat Panama und da wieder zur Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die sich darauf spezialisiert hat, für reiche Menschen Firmen und Stiftungen zu gründen. Bei den von Mossack Fonseca gegründeten und oft noch treuhänderisch verwalteten Firmen handelt es sich um Shell Corporations, Firmen also, die lediglich aus einer Schale, hauptsächlich einer Adresse und einer Bankverbindung bestehen. Auf deutsch nennt man sie Briefkastengesellschaften. 

Briefkastenfirmen haben aus Sicht ihrer wohlhabenden Eigentümer zwei große Vorteile: Erstens liegen sie immer in Steueroasen, so daß die von der Firma gehaltenen Vermögenswerte und die damit generierten Gewinne nicht oder kaum jemals zu besteuern sind. Und zweitens tauchen die wahren Inhaber der Briefkastenfirmen in keinem öffentlichen Register auf, weil sie sich hinter lokalen Strohmännern verbergen können, die nach außen hin als Gesellschafter, Geschäftsführer und deren Sekretäre und Repräsentanten auftreten.

Reiche und Mächtige sind oft auch prominent und so gut wie immer von Neidern umgeben, weshalb sie wenig Wert darauf legen, daß andere Menschen, insbesondere aber Zeitungen, das Internet und die Öffentlichkeit wissen, daß sie viel Geld haben. Deshalb wollen sie weder von Reportern dabei fotografiert noch von Journalisten darüber befragt werden, wie und warum sie in so unbekannte und touristische wenig ergiebige Länder wie die Virgin Islands, die Cayman Islands, Mauritius, Jersey, Samoa oder nach Delaware reisen. Oder nach Panama. Womit wir wieder bei Mossack Fonseca wären.

Daß es Hunderte, ja Tausende von Notaren und Rechtsanwälten auf der Welt gibt, die in Steueroasen Firmen gründen und verwalten, ist in Wirklichkeit ein alter Hut und seit Jahrzehnten bekannt. Mossack Fonseca ist weltweit die viergrößte Kanzlei, die Briefkastenfirmen gründet und verwaltet, und hat seit seiner Etablierung im Jahr 1985 an die 300.000 Unternehmen gegründet. Interne Statistiken von Mossack Fonseca zeigen, daß die meisten wahren Inhaber der Strohfirmen nicht aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien oder den USA kommen, sondern aus China und Hongkong, gefolgt von Rußland, Großbritannien und der Schweiz.

Obwohl Briefkastenfirmen und Steueroasen seit jeher der Ruch des Unsauberen, Illegalen und Kriminellen anhaftet, muß auch der britische Guardian, der zusammen mit der Süddeutschen wesentlich an der Analyse des Mossack-Fonseca-Materials beteiligt ist, eingestehen, daß allein der Besitz einer Briefkastenfirma in Panama keineswegs illegal ist. Und daß die darin gebunkerten Vermögenswerte vollkommen legal erworben und in ihrem Ursprungsland korrekt versteuert sein können – und es meistens auch sind.

Aber solche Feinheiten scheinen die investigativen Journalisten nicht zu interessieren. Ihnen geht es vielmehr darum, die Begriffe „Briefkastenfirma“, „Panama“ und „Steueroase“ zuerst einmal generell mit Steuerhinterziehung und Verbrechen in Verbindung zu bringen nach dem Motto: Wer eine Briefkastenfirma in Panama hat, ist automatisch ein Gauner. 

Das ist ein logischer Fehlschluß, der in der Philosophie als „Association Fallacy“ (Trugschluß durch Assoziation) bekannt ist; aber die Süddeutsche kümmert das nicht, denn sonst würde ihr journalistisches Kartenhaus schnell in sich zusammenfallen. 

Und da die allermeisten der Mossack-Fonseca-Kunden dem Zeitungsleser unbekannt sind, muß nun aus den paar prominenten Namen, die darunter sind, das Größtmögliche herausgeholt werden. Der prominenteste Name, den das Münchner Blatt mit den Panama Papers auf Umwegen in Zusammenhang bringen konnte, ist der von Wladimir Putin. 

Der taucht, das gesteht auch die Süddeutsche ein, in all den vielen Dateien nie und nirgends auf, aber einer seiner Jugendfreunde tut es, der Cellist Sergei Roldugin. Dieser Mann ist Miteigentümer von drei durch Mossack Fonseca gründeten Briefkastenfirmen, die über ein Vermögen von zwei MilliardenUS-Dollar verfügen. Und weil dieser Cellist der Taufpate von Putins Tochter ist und die Süddeutsche Zeitung sich einfach nicht erklären kann, wie ein ehemaliger Konservatoriums-Direktor so viel Geld haben kann, muß sein Freund Putin ein Gauner und der größte aller Oligarchen sein.

In diesem Stil geht es bei den Enthüllungen Seite um Seite weiter. Der Weltfußballer Lionel Messi taucht ebenfalls in dem Datenkonvolut auf, auch der isländische, der ukrainische und der chinesische Staatspräsident und jede Menge „Bundesverdienstkreuzträger, Bordellkönige, Spitzenmanager“, von denen allerdings kaum ein Mensch gehört hat. 

Es mag sein, daß hinter manchen Vermögen in Briefkastenfirmen dubiose Transaktionen stecken, aber das bedeutet noch lange nicht, daß jeder, der damit nur irgendwie zu tun hat, ein Verbrecher ist.