© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

„Washington funktioniert nicht“
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump über seinen Weg, Amerika wieder groß zu machen
Marc Zoellner

Selten zeigte sich Donald Trump derart überrascht wie an jenem naßkalten Novembertag Ende vergangenen Jahres. „Ab zwölf Uhr werde ich meine Bücher signieren“, erzählte der Immobilientycoon den versammelten Journalisten im nach ihm benannten New Yorker Trump Tower. „Aber wir haben Fans, die gerade das Buch gekauft haben, und manche von denen stehen bereits seit zwölf oder vierzehn Stunden dafür an. Ich weiß nicht, wie sie das tun. Aber sie tun’s.“

Und tatsächlich bildeten sich an diesem Morgen lange Schlangen vor den Toren des Wolkenkratzers. Tausende Menschen, die auf ein Autogramm hofften, auf ein Foto mit ihrem Idol, auf einen Handschlag und ein paar markige Worte. Sie wurden in ihren Erwartungen nicht enttäuscht: „Im thronähnlichen Stuhl“, beschrieb die britische Daily Mail die folgende pompöse Veranstaltung, empfing Donald Trump seine neugierigen Leser, begleitet von einem schwarzen Mitarbeiter „im dreiteiligen Anzug, mit Frack und Fliege, welcher dem Milliardär sein Wasser reichte“.

Donald Trump weiß, wie man sich als Trump standesgemäß auf Lesungen inszeniert. Immerhin war es nicht seine erste. Denn das am gleichen Tag erschienene „Crippled America. How to make America Great Again“ ist bereits das achtzehnte in Donald Trumps umfangreicher Bibliographie. Nur zwei davon behandelten bislang speziell die politischen Zustände der Vereinigten Staaten; der Rest sind (Auto-)Biographien über seinen unaufhaltsamen Aufstieg in der New Yorker Immobilienszene, später auch landesweit, seine Investmentratschläge für Leser, die selbst so reich wie Trump werden wollen. Oder sie enthalten seine gesammelten Golfplatz-Anekdoten und immer wieder, beinahe schon als literarisches Leitmotiv des exzentrischen Multimilliardärs, Trumps persönlich bewerkstelligte Erfolge im Leben, im Geschäft und gegen die Konkurrenz.

Viele dieser Bücher wurden zu Bestsellern auf dem US-amerikanischen Büchermarkt. Mit „Crippled America“ verhält es sich nicht anders. Auf der Sachbuchliste der New York Times wird Trumps Präsidentschaftsmanifest bereits mehr als ein Vierteljahr unter den Top 15 geführt. Der vier Wochen zuvor verlegte programmatische Gegenentwurf seines innerparteilichen Widersachers Ben Carson, „A More Perfect Union“, hielt sich hingegen gerade einmal sechs Wochen, bevor er Anfang Dezember aus der Liste verschwand.

Einer der Gründe mag Trumps zügellos populistische Ader sein: Trump ist der Mann fürs Grobe, der blumige Umschreibungen meidet. Der ausspricht, was er denkt, und der auch so schreibt, wie er spricht. „Mein Buch schlägt sehr hart zu. Es ist eine andere Art von Buch“, erklärte Trump während der Präsentation seines Werks. „Es sagt, was ist.“

In tatsächlich recht simpel gehaltenen Worten erzählt „Crippled America“ dabei von Trumps Blick auf die amerikanische Nation, von schwerwiegenden Problemen und einfachen Lösungen. Von seiner Sicht auf Einwanderer, speziell auf Mexikaner, seiner Haltung den Großmächten China und Rußland, den Krisenherden Israel und Iran gegenüber, von seinen Plänen und Ideen für ein zukünftiges, ein besseres, insbesondere auch ein in sich abgeschottetes Amerika. Und räumt dabei mit einigen in der internationalen Presse kursierenden Vorurteilen über Trumps politische Einstellung großflächig auf.

„Ich werde eine große  Mauer errichten“

„Laßt mich eines klarstellen“, schreibt Trump. „Ich bin nicht gegen Immigration. Ich liebe Immigration. Immigranten kommen in dieses Land. Sie wollen hart arbeiten, erfolgreich sein, ihre Kinder großziehen und den amerikanischen Traum mit uns teilen. Es ist eine wundervolle Geschichte. Doch was ich nicht liebe, ist das Konzept der illegalen Immigration.“

Über elf Millionen illegale Einwanderer, rechnet Trump in seinem Buch vor, lebten bereits in den Vereinigten Staaten. Allein die etwa 351.000 von ihnen, die derzeit in amerikanischen Gefängnissen säßen, kosteten den amerikanischen Steuerzahler jährlich über eine Milliarde US-Dollar. Doch die Regierung in Washington, befindet der Republikaner, ignorierte diese untragbaren Zustände. „Ein Land, das seine Grenzen nicht kontrolliert, kann nicht überleben“, warnt Trump. „Der Zustrom illegaler Immigranten wird uns noch umbringen.“

Trumps im Buch präsentierte Antworten sind – nicht nur in Fragen der Einwanderung – denkbar simpel. „Niemand kann Mauern wie ich bauen. Ich werde eine große Mauer an unserer Südgrenze errichten“, so Trump. „Und Mexiko hat diese zu bezahlen.“ Gerade die Mexikaner, fügt Trump hinzu, hätten dafür doch Verständnis zu zeigen. Denn an der Grenze zu Guatemala unterhalte Mexiko selbst eine lange Mauer, um illegale Einwanderer aus Südamerika fernzuhalten.

Mit „Crippled America“ gelingt Trump eine durchaus lesenswerte, weil kurzweilige Kampfansage an das Establishment beider großer Parteien im Kapitol. „Washington funktioniert nicht“, so Trump. „Wir schauen auf die Politiker und denken uns: Der eine da gehört diesem Millionär, und der andere jenem Lobbyisten. Ich kenne viele von denen; glaubt mir. Sie alle könnten keinen Job in der Privatindustrie bekommen.“

Unterhaltsam schlendert Trump auf den gut 200 Seiten seines Buchs von einem Schlachtfeld auf das nächste, zieht gegen Windkraftbefürworter und Klimahysteriker zu Felde, entwirft Skizzen zur Dezentralisierung des US-Schulsystems, fordert Arbeitsplätze für Veteranen, die Modernisierung des Militärs sowie den Abzug US-amerikanischer Truppen aus Übersee. Und präsentiert sich dabei – geboren am Flag Day des 14. Juni – als vollblütiger Patriot, der jene überdimensionale Flagge der Vereinigten Staaten auf seinem Grundstück in Florida auch unter Androhung von Strafgeldern in Millionenhöhe nicht einzuholen gedenkt.

„Es ist Zeit, Amerika seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben“, faßt Donald Trump die Quintessenz seines neuen Bestsellers mit seinen eigenen Worten zusammen, „nämlich dem amerikanischen Volk“.

Donald Trump: Crippled America. How to Make America Great Again. Treshold Editions, New York 2015, gebunden, 208 Seiten, 14,12 US-Dollar