© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Die Schuldenspirale dreht sich weiter
Budgetpolitik: Der US-Haushalt ist von Rekordausgaben für Soziales, Militär und Zinslasten geprägt
Thomas Kirchner

Der deutsche Fiskus wird immer gieriger: In diesem Jahr sieht der Bundeshaushalt bislang Ausgaben von 316,9 Milliarden Euro vor. 2015 waren anfangs nur 299,1 Milliarden Euro geplant. Die sechsprozentige Ausgabensteigerung soll aber immerhin ohne Neuverschuldung finanziert werden, verspricht Finanzminister Wolfgang Schäuble. Das ist angesichts von 1,2 Billionen Euro „Altschulden“ des Bundes, für die die Steuerzahler 25,2 Milliarden Euro Zinsen – etwa 300 Euro pro Kopf der Bevölkerung – berappen müssen, aber nur ein kleines Trostpflaster.

Im Vergleich zu den großen Wirtschaftsmächten steht Deutschland damit noch halbwegs gut da. Denn mit 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung wird das geplante US-Etatdefizit 2017 immer noch 503 Milliarden Dollar betragen – bei 4,15 Billionen Gesamtausgaben. Das ist zwar weniger als im aktuellen Jahr, verfehlt aber Barack Obamas selbstgestecktes Ziel von 438 Milliarden. Läuft alles wie erhofft, wird das Defizit auch in den Folgejahren 2,6 Prozent betragen.

Glaubt man den optimistischen Prognosen von permanentem Wachstum auf heutigem Niveau würde sich der Schuldenstand Amerikas bei 75 Prozent der Wirtschaftsleistung lediglich stabilisieren, was immer noch der höchste Stand seit dem Zweiten Weltkrieg ist. Damit steht Obamas letztes Budget im krassen Gegensatz zu dem seines letzten demokratischen Vorgängers Bill Clinton, der – vom Aufschwung der 1990er beflügelt – einen kurzlebigen Haushaltsüberschuß samt Schuldenabbau präsentierte.

In vielerlei Hinsicht ist Obamas Haushaltsvorschlag eine frivole Ausgabenbonanza. Der republikanische Senator Paul Ryan sprach von einem „Handbuch zum Ausbau der Zentralregierung auf Kosten hart arbeitender Leute“. Viele Ausgabenposten lassen die Herzen demokratischer Interessengruppen höher schlagen. Eine Zehn-Dollar-Steuer pro Barrel Öl zur Förderung erneuerbarer Energien läßt deutsche Ökopolitiker wie harmlose Amateure aussehen. Eine Sondersteuer für Banken gehört heutzutage ohnehin zum guten Ton. Höhere Ausgaben für die vorhersehbare Kostenexplosion durch Obamas Krankenversicherungsreform erschrecken niemand mit sozialer Gesinnung.

Nichts Gutes für die Zukunft läßt erahnen, daß viele der eingeplanten sogenannten Einsparungen in Wirklichkeit steigende Steuern sind. Ob es sich um angebliche Schlupflöcher handelt, die gestopft werden, oder Steuererhöhungen, ist eine Frage des politischen Standpunkts. So schlägt Obama eine 30prozentige Mindestbesteuerung von Einkommen oberhalb einer Million Dollar vor, was in erster Linie die Bezieher von Kapitalgewinnen treffen soll. Unternehmensgewinne sollen mit mindestens 14 Prozent besteuert werden – selbst wenn ein Unternehmen Verlustvorträge hat. Die Hochtechnologiebranche, die treibende Kraft hinter Amerikas wirtschaftlicher Dominanz, wird davon besonders hart getroffen. Das alles geschieht natürlich unter dem Deckmantel der sozialen „Gerechtigkeit“.

70 Prozent der Ausgaben lassen sich nicht kürzen

Die grundlegende Schuldendynamik weist viele Gemeinsamkeiten mit der Lage in Deutschland auf. Denn hüben wie drüben treiben die Auswüchse des ausufernden Sozialstaats die Handlungsspielräume der Politik in die Enge. 4,9 Prozent Ausgabenwachstum, also rund das Doppelte des US-Wirtschaftswachstums, gehen in erster Linie auf höhere Sozialausgaben und die Zinseslast für Altschulden zurück. Sie summieren sich auf 70 Prozent der Ausgabenposten und lassen sich nicht kürzen, weil sie verfassungsrechtlich garantierte Ansprüche wie Pensionen, Invalidenversorgung oder Essensmarken sind.

Weitere 15 Prozent fließen ins Militär, auch in die Entwicklung der Kernwaffen, deren Abrüstung Obama in für ihn typischer Manier lautstark fordert, dann aber im Kleingedruckten ihren Ausbau vorantreibt. Das Wachstum der Ausgaben im verbliebenen Sechstel des Haushalts, auf welches die Politik Einfluß hat, liegt bei nur einem Prozent. Der Politik bleiben also angesichts der hohen Fixkosten kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Erschwerend kommt der hohe Schuldenstand hinzu, der langsam eine fatale Eigendynamik entwickelt: Trotz so niedriger Zinsen wie nie steigen die Zinszahlungen, weil der Schuldenstand so hoch ist und weiter wächst. Sollten eine Tages die Zinsen steigen, wird es also richtig eng für Ausgabenpolitiker. 

Im US-Wahlkampf spielt der Haushalt bislang keine Rolle. Die beiden Favoriten Donald Trump und Hillary Clinton haben zwar beide keinen Haushaltsplan vorgelegt, doch man kann in etwa abschätzen, wie einer aussehen würde. Clintons Budget würde sich kaum von Obamas Haushaltsentwurf unterscheiden und auf höhere Ausgaben setzen. Drastisch anders würde Trumps Haushalt ausfallen, der auf Steuersenkungen setzt. Wie schon unter Ronald Reagan würde das kurzfristig die Etatdefizite steigen lassen. Aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums sank dann allerdings die Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.

Die Republikaner im Kongreß weigern sich, Obamas Haushaltsentwurf überhaupt nur zu diskutieren. 1997 wurde zum letzten Mal überhaupt ein regulärer Haushalt verabschiedet, seitdem wurschteln sich die USA mit Behelfsmechanismen durch. Deshalb kommt es immer wieder zu Streitigkeiten über die Anhebung der Schuldenobergrenze samt kurzfristigen Blockaden der Regierung. 2015 betrug die US-Staatsverschuldung schon fast 19 Billionen Dollar. Der aktuelle Haushaltsvorschlag hat also nur Symbolcharakter und keine echten Auswirkungen, gibt aber dennoch eine Vorstellung davon, wo die Prioritäten der Regierung liegen. „Das einzig Positive an diesem Haushalt ist, daß er Obamas letzter ist“, kommentierte der Senator David Perdue aus Georgia sarkastisch. Sollte Trump Präsident werden, bestünde aber immerhin die Hoffnung auf ein Ende der Schuldenspirale.

Verschuldungsprognose des Congressional Budget Office (CBO) des US-Kongresses:  www.cbo.gov

Interaktive US-Budgetstruktur 2016: www.whitehouse.gov