© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Offizielle Deflation und Vermögenspreisinflation
Zwei Seiten einer Medaille
Dirk Meyer

Seit dem Allzeithoch des Goldes 2011 mit 1.880 Dollar und dem darauffolgenden Preisverfall auf 1.053 Dollar lautete die Anlageempfehlung: Finger weg von dem Edelmetall. Insbesondere ein Rückgang der Geldentwertung und scheinbare Erfolge der Eurorettung ließen Gold als Krisenanlage in den Hintergrund treten. Nichts beunruhigt die Marktteilnehmer jedoch mehr als eine Notenbank, deren geldpolitisches Handeln gesetzte Erwartungen nicht erfüllt.

Während im Dezember eine stärkere geldpolitische Lockerung erwartet wurde und die Enttäuschungen zu einem heftigen Rückgang an der Börse führten, erstaunten die im März getroffenen Maßnahmen in umgekehrter Weise: Leitzinssenkung auf null, Erhöhung des Strafzinses und Erhöhung der Wertpapierkäufe auf 80 Milliarden Euro monatlich. Gegenüber 2006 wird sich die Euro-Geldmenge bis zum Auslaufen der quantitativen Lockerung 2017 auf voraussichtlich 3,9 Billionen Euro mehr als verdreifacht haben.

Doch wo bleibt das ganze Geld? Im Jahresvergleich stiegen die Kredite an Unternehmen nur um 0,6 und an Haushalte um 1,4 Prozent. Die von der EZB angestrebte Erhöhung der Inflationsrate ist auch deshalb ausgeblieben. Zu Beginn der Anleihekäufe im März 2015 lag die Preis­erhöhung bei minus 0,1 Prozent, heute bei minus 0,2 Prozent. Diese an sich wünschenswerte Preisstabilität läuft der EZB zuwider, die mit einer mäßigen Inflation die Schuldenlast der Eurostaaten quasi unbemerkt senken möchte: Eine Teuerung von zwei Prozent halbiert die Schulden real in 17 Jahren. Doch das zusätzliche Geld fließt in Aktien und Immobilien. So stieg der Vermögenspreisindex deutscher Haushalte nach Flossbach von Storch (FvS-Index) 2015 um 7,8 Prozent. Die wachsende Lücke zwischen Verbraucher- und Vermögenspreisindex kann als Zeichen neu entstehender Blasen gewertet werden.

Bei den mangelnden Erfolgen und dem weitgehend ausgereizten Instrumentarium sehen viele die EZB am Ende ihres Lateins – läßt man das „Hubschraubergeld“ (JF 14/16) als geldpolitischen Dschihad außen vor. Gold scheint da für manchen Anleger als ein relativ sicherer Hafen, was den Preisanstieg um ein Fünftel seit Jahresbeginn erklärt. Als Realvermögen behält es einen inneren Wert. Kurzfristig wird der Preis durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Langfristig wird er durch die steigenden Produktionskosten bei begrenztem Angebot aufgrund nur weniger neuer Vorkommen geprägt.

Nullzinsen und die Erwartung eines mittelfristig sinkenden Euro-Außenwertes machen die Goldhaltung attraktiv. Schließlich bietet Gold eine fast perfekte Ersatzwährung, sollte der Euro zerbrechen: Es ist knapp, von gleichbleibender Qualität, lagerfähig, beliebig teilbar und leicht handelbar.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg.