© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Ungewohnt sprachlose Politiker
Belgien: Die jüngsten islamistischen Terrorschläge offenbaren einmal mehr die Probleme des Landes
Mina Buts

Vermutlich waren die Terroranschläge in Brüssel mit mittlerweile 35 Toten kein Rachakt für Festnahme des einzig überlebenden Attentäters von Paris, Salah Abdeslam. Eher standen die Attentäter nach dessen Ankündigung, mit der Polizei zusammen zu arbeiten, unter Zeitdruck und wählten mit dem Brüsseler Flughafen und einer U-Bahnstation leicht anzugreifende Ziele, so der belgische Nahostexperte Rudi Vranckx. 

Es gibt schon lange Indizien, daß die belgischen Atomkraftwerke im Visier der Islamisten stehen, die sich wiederholenden Störfälle in Tihange und Doel also möglicherweise menschengemacht sind. Bereits 2013 wurden im Sicherheitsbereich des AKW Doel vier Hähne gleichzeitig aufgedreht, 65.000 Liter Öl liefen aus. Ein Sabotageakt wurde vermutet, konnte aber nicht bewiesen werden. 

Belgische AKW im Fadenkreuz des Terrors

Bei einer Hausdurchsuchung im vergangenen Monat fielen den Ermittlern Videoaufnahmen der beiden Selbstmordattentäter Khalid und Ibrahim El Bakraoui in die Hände, die die beiden bei der Überwachung des Hauses des Direktors der belgischen Atomprogramms zeigen. 

Auch eine schlüssige Erklärung, warum unmittelbar nach den Selbstmord-attentaten das Personal der beiden Atomkraftwerke Tihange und Doel nach Hause geschickt wurde und die Bewachung durch 140 Soldaten der belgischen Armee übernommen wurde, blieb die belgische Regierung schuldig. Vielleicht ist es wirklich nur Zufall, daß in der vergangenen Woche ein Mitarbeiter, der Zugang zum Sicherheitsbereich eines AKWs hatte, in seiner Wohnung ermordet aufgefunden wurde.  

Belgien, das haben die Ereignisse der letzten Wochen noch einmal deutlich vor Augen geführt, ist ein Hort des islamistischen Terrorismus. In keinem anderen europäischen Land gibt es eine so hohe Dichte an „Gefährdern“, in keinem können sie sich so frei entfalten. 

Sowohl nach dem Attentat im Jüdischen Museum in Brüssel 2014, dem Thalys-Vorfall und den Terrorakten in Paris 2015 als auch nach den Anschlägen der vergangenen Woche wiesen die Spuren in das Dreieck Molenbeek-Schaarbeek-Vorst, drei Brüsseler Stadtteile. 

Salah Abdeslam konnte sich monatelang frei in Molenbeek bewegen, den Hinweisen der Mechelner Polizei auf sein Versteck wurde nicht einmal nachgegangen. Auch eine Organisation wie „Sharia4Belgium“, angetreten mit dem Ziel der Islamisierung Belgiens, wurde nicht verboten, sondern löste sich 2012 auf. Zwar wurde deren Anführer, Fouad Belkacem, 2015 zu 15 Jahren Haft verurteilt, seine Anhänger machen aber weiter mobil. Belkacems ehemaliger Leibwächter, der aus Antwerpen stammende Hicham Chaib, wurde 2012 wegen „Anstachelung zum Haß“ zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, verschwand anschließend nach Syrien und wurde Chef der Sharia-Polizei. Am Wochenende kündigte er online und auf flämisch weitere Attentate an: „Wir haben euch gewarnt. Der Anschlag in Brüssel ist einzig und allein die Ernte dessen, was ihr gesät habt.“ Die gezeigte Videosequenz endet mit der Hinrichtung eines vor Chaib knieenden Mannes.

Zwar ist nach den Attentaten die Aufregung in Belgien groß, erneut zeigt sich aber die Unfähigkeit der politischen Eliten. Inneminister Jan Jambon (N-VA) hatte schon vor einiger Zeit zugegeben, daß die Lage in Molenbeek außer Kontrolle geraten sei. Nun fordert auch der sozialistische Bürgermeister von Vilvoorde, Hans Bonte, endlich die Probleme der Sicherheitspolitik zu benennen, damit in Brüssel endlich wieder Ruhe und Ordnung einkehren könne. 

Gwendolyn Rutten, Vorsitzende der flämischen Liberalen, verkündete, daß Land brauche einen „Gesundungsprozeß wie nach der Dutroux-Affäre“. Die deutlichsten Worte fand der ehemalige Flughafensprecher von Zaventem, Jan van den Cruysse: „Unser Land ist nur so groß wie ein Handtuch und total feudal desorganisert.“ Und weiter: „Traut euch, alles in Frage zu stellen. Eine bessere Gelegenheit zum Großreinemachen kommt nicht mehr.“ Für die VVB (Flämische Volksbewegung), die größte flämische Interessenvertretung, steht fest, daß Brüssel seine sechs Polizeizonen endlich zusammenführen und institutionell unter flämische Kuratel stellen müsse. Gegenüber der jungen freiheit erklärte ihr Sprecher Jonas Naeyaert: „Flandern muß endlich eine eigene Sicherheits- und Justizpolitik führen dürfen, heute verhindern die Französischsprachigen alle notwendigen Maßnahmen.“ 

Als es am Ostermontag während einer Gedenkfeier für die Terroropfer zu Ausschreitungen zwischen Linksautonomen und Hooligans kam, waren sich alle linken etablierten Parteien schnell einig, daß der Feind rechts steht. Der sozialistische Oberbürgermeister von Brüssel, Yvan Mayeur, erklärte: „Flandern hat Brüssel mit seinen Extremisten beschmutzt.“