© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Gehaßt und benachteiligt
Pakistan: Über siebzig Tote bei Anschlag auf christliche Familien / Islamische Fanatiker fordern Scharia-Recht
Michael Link

Der blutigste Terroranschlag in Pakistan seit drei Jahren überschattete das Osterfest der christlichen Minderheit. Nahe einem Kinderspielplatz in einem Park in der ostpakistanischen Stadt Lahore ermordete ein Selbstmordattentäter mehr als 70 Menschen und verletzte über 340. Der Großteil der Opfer waren Frauen und Kinder. Zum Zeitpunkt des Anschlags befanden sich in dem Park viele christliche Familien, um das Osterfest zu feiern. Um möglichst viele Menschen mit in den Tod zu reißen, hatte der Attentäter den Sprengsatz mit Nägeln präpariert.

 Bei dem Attentäter soll es sich um einen 28jährigen Religionslehrer handeln. Jamaat-ul-Ahrar, eine sunnitische Splittergruppe der Tehrik-i-Taliban Pakistan, hat sich zu dem Terrorakt in der Provinz Pandschab bekannt.

Islamisten kündigen weitere Anschläge an

Der Terrororganisation zufolge galt der Anschlag gezielt Christen, jedoch waren unter den Opfern auch zahlreiche Muslime. Ein Sprecher der Gruppe erklärte, weitere Anschläge auf Universitäten und Schulen seien geplant.

Pakistans Premier Nawaz Sharif kündigte eine verstärkte Aufklärungsarbeit der Geheimdienste über militante Gruppen an. Seit Sonntag haben Polizeieinheiten in mehreren Städten im Bundesstaat Pandschab Razzien durchgeführt, wie der Armeesprecher Asim Bajwa mitteilte. Dabei seien auch zahlreiche mutmaßliche Terroristen festgenommen sowie ein „riesiges Lager mit Waffen und Munition“ ausgehoben worden. 

Neben der Christenfeindlichkeit könnten pakistanischen Medien zufolge auch politische Motive eine Rolle gespielt haben: Am Sonntag war ein Ultimatum von 30 religiösen Gruppen an die Regierung der Provinz Pandschab abgelaufen. Hardliner forderten eine Rücknahme eines kürzlich verabschiedeten, ihrer Ansicht nach „unislamischen“ Frauenschutzgesetzes. Mehrere tausend, zum Teil mit Stöcken bewaffnete Demonstranten verlangten am Montag im Regierungsviertel unter anderem die landesweite Einführung des Scharia-Rechts.

Der Anschlag vom Ostersonntag war der verheerendste Terroranschlag auf Christen in Pakistan seit 2013. Damals hatten vor einer Kirche in der nordwestpakistanischen Stadt Peschawar zwei Selbstmordattentäter mehr als 80 Menschen getötet. In Peschawar und in Karatschi leben die meisten Christen Pakistans, aber auch in etlichen Dörfern im Pandschab. Christen werden in der Gesellschaft, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, benachteiligt; sie zählen zu den ärmsten Schichten der Bevölkerung.