© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Unberechenbare Touristen
Pegida-Berichterstattung: Nach Dresden kommen weniger inländische Besucher – doch aus dem Ausland kommen sogar mehr
Paul Leonhard

Allmontaglich leert sich auf geheimnisvolle Weise die Dresdner Innenstadt. Touristen und Einkaufslustige machen es wie die Einheimischen: Sie ziehen sich am späten Nachmittag ängstlich aus dem Zentrum zwischen Neustädter Markt und Hauptbahnhof zurück. Verlassen liegen Prager Straße, Altmarkt, Augustusbrücke. Denn es herrscht Lebensgefahr: Jeden Montag, ab 18.30 Uhr, demonstriert Pegida vor der Frauenkirche: „Wir sind das Volk!“

Dieses falsche Bild zeichnen seit Monaten überregionale Medien von Dresden. Und es werden erste Erfolge dieser Berichterstattung deutlich: Während ausländische Touristen der Stadt nicht nur die Treue halten, sondern sogar für ein Plus von fast 53. 700 Übernachtungen, immerhin 6,1 Prozent, sorgen und vermehrt Chinesen und Spanier die Schönheiten von Elbflorenz für sich entdecken, ist die Zahl inländischer Besucher erstmals seit sechs Jahren um rund drei Prozent gesunken.

Hatte der Tagesspiegel im März 2015 noch verstört getitelt: „Bilanz für 2014: Dresden-Tourismus boomt trotz Pegida“, so konnte die Welt ein halbes Jahr später bereits deutschlandweit warnen „Pegida bedroht den Standort Dresden“. Und die Zeit zeigte sich geradezu erleichtert, als sie Mitte Januar melden konnte: „Pegida wirkt sich auf den Tourismus aus.“ Täglich würden potentielle Dresden-Besucher ihre geplanten Reisen absagen.

Die Berichterstattung über Pegida ist aber nur eines von mehreren Problemen. Auch die Ukrainekrise und der Rubelverfall setzen dem Dresden-Tourismus zu. Die Übernachtungen russischer Touristen sind um knapp 28 Prozent zurückgegangen. Dazu kommt als hausgemachtes Problem die neu eingeführte und umstrittene Bettensteuer, die Übernachtungen um zehn Prozent teuer macht und offenbar viele Privatpersonen auf das Umland ausweichen läßt. „Wenn wir schon die Demonstrationen und Pegida nicht loswerden, dann wenigstens die Bettensteuer“, zitierte die Sächsische Zeitung den Vorsitzenden des Tourismusverbands, Johannes Lohmeyer.

Tatsächlich war das vergangene Jahr mit 4,3 Millionen Übernachtungen das „zweitbeste Ergebnis im Dresden-Tourismus“, wie die Chefin der Dresden-Marketing GmbH (DMG), Bettina Bunge, berichtete. Positiv ist auch das Ergebnis einer aktuellen Markenanalyse der Hamburger Agentur Brandmeyer Markenberatung. Sachsens Hauptstadt gehört danach zu den vier stärksten Stadtmarken in Deutschland.

Die Hamburger Studie legt aber auch den Finger in die Wunde: Die negative Berichterstattung über die Pegida-Bewegung werde von vielen Lesern überregionaler Medien als wahr hingenommen und schade auf Dauer dem öffentlichen Bild Dresdens. Man habe in den vergangenen Wochen vor allem inländische Gäste verloren, die nicht in eine Stadt reisen wollen, die „mit asylkritischen Demonstrationen Schlagzeilen macht“, sagte Bunge der Zeit. Gäste hätten sich bewußt gegen Dresden entschieden, weil sie dachten, die Dresdner seien nicht weltoffen und tolerant.

Von einem enormen wirtschaftlichen Schaden, den ihnen Pegida zufüge, sprechen Händler, Gastronomen und Gewerbetreibende aus dem Umfeld der Frauenkirche. Die Umsatzrückgänge montags seien wegen Demonstrationen gravierend, sagt Jürgen Wolf vom Verein City-Management Dresden. 

Händler und Museen starten Kampagne

Viele potentielle Kunden kämen nicht mehr, da das Zentrum der Stadt abgeriegelt ist, die Straßen gesperrt sind und der Öffentliche Nahverkehr lahmgelegt ist.

„Immer weniger Dresdner trauen sich montags in die City“, schreiben die lokalen Dresdner Neuesten Nachrichten. Mancher Gastronom verdiene deshalb seit über einem Jahr fast die Hälfte weniger als vorher. Angeblich soll es im Handel einen Umsatzrückgang von 20 Prozent, in der Gastronomie gar von 70 Prozent geben. Nachvollziehbare Zahlen gibt es nicht. Namhafte Unternehmen hätten sich wegen Pegida aus Dresden zurückgezogen oder geplante Filialen erst gar nicht eröffnet, sagt Andreas Malich von der Immobilienberatungsfirma CBRE. Namen von Firmen nennt Malich nicht.

Um gegenzusteuern wurde Mitte Januar die Kultur- und Gastronomiekampagne „Dresden geht aus“ gestartet. Dabei werben Händler und Museen mit Sonderangeboten und Gutscheinen, die nur am Montag abend gelten. Bezüglich eines drohenden „enormen Imageverlusts“ hat sich auch der Chef der Städtischen Museen, Gisbert Porstmann, zu Wort gemeldet. Er droht mit der Absage von geplanten Sonderausstellungen. Allerdings ist hier nicht Pegida schuld, sondern der Sparkurs des Finanzbürgermeisters. Porstmanns Museen konnten übrigens 2015 ein Besucherplus von vier Prozent verzeichnen.