© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Ein Segen für die deutsche Tiefseeforschung
Kein Elfenbeinturm in der Provinz: Das Forschungszentrum für Meeresbiologie in Wilhelmshaven
Christoph Keller

Könnte man das exakte Datum seiner Kopfgeburt ermitteln, dürfte das Deutsche Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) wohl sein 20jähriges Jubiläum feiern. Aber der Oldenburger Professor für Zoologie, der Meeresbiologe Horst Kurt Schminke, erinnert sich nur an eine „Vision“ in den 1990ern, an seine Idee, das auf ozeanischen Forschungsreisen gewonnene Material systematisch zu inventarisieren.

1999 kam es tatsächlich zur formellen DZMB-Gründung, 2001 zur Angliederung an das Frankfurter Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg und 2003 endlich zum Einzug in das generös bemessene Domizil, drei modernisierte Kasernengebäude am Südstrand von Wilhelmshaven. Der Artikel, mit dem Pedro Martínez Arbizu, derzeit DZMB-Leiter, die Gründungsinitiative Schminkes würdigt (Senckenberg,1-2/16), ist daher nicht dem Kalenderblatt geschuldet, sondern will mit dem Forschungsalltag eines – neben dem Kieler Geomar-Zentrum – von der Öffentlichkeit weniger beachteten Standorts der deutschen Meeresforschung bekannt machen, der nichts von provinzieller Abgeschiedenheit im Elfenbeinturm ausstrahlt.

Das DZMB versteht sich als Global Player, der, zumeist mit internationaler Teilnehmerschaft, bislang 50 Expeditionen auf allen Weltmeeren und in allen Klimazonen organisiert, logistisch und technisch betreut und durchgeführt hat. Davon 27 seit 2010. Denn in dem Maße, wie die Ozeane als Ressourcenquelle auch außerhalb der Fischerei an Bedeutung gewinnen, steigt die Nachfrage nach den Wilhelmshavener Dienstleistungen. Entsprechend expandieren, gestützt auf den ursprünglichen Schwerpunkten Taxonomie und Systematik mariner Organismen, die Bereiche Artenvielfalt (Biodiversität), Ökosysteme, Klima und Biogeographie.

Seit kurzem werden drei Großprojekte bearbeitet, unter deren Dach etliche Untersuchungen dem Abbau mineralischer Ressourcen in der Tiefsee gelten. Vor der industriellen Förderung der als „Manganknollen“ firmierenden kleinen Kugeln steht allerdings die Klärung der Frage, welche ökologischen Auswirkungen von einem massiven Ab- und eventuell Raubbau für die betroffenen Lebensgemeinschaften zu erwarten sind.

An solchen, fast über Nacht aktuell gewordenen Forschungsaufgaben erweise sich, daß der Zusammenschluß von Senckenberg und DZMB, von Grundlagen- und angewandter Wissenschaft ein „Segen für die deutsche organismische Tiefseeforschung“ sei. 

Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (Wilhelmshaven/Hamburg):  www.senckenberg.de