© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Gnadenloser Wettbewerb
Verkehrspolitik: Die Preisschlacht zwischen Fernbussen und Bahn freut die Kunden
Christian Schreiber

Wer vom Berliner Reichstag zur Frankfurter Börse will, braucht für die 550 Kilometer mit dem Auto über fünf Stunden. Mit dem ICE Sprinter sind es keine vier. Selbst mit dem Flugzeug ist man – inklusive Anfahrt und Sicherheitskontrollen – nicht viel schneller da. Doch zwischen 50 und 120 Euro will dafür nicht jeder zahlen. Mit dem Fernbus sind für diese Strecke sieben Stunden einzukalkulieren – aber kaum mehr als 20 Euro. Wer von Kiel nach Bremen muß, ist für die 200 Kilometer mit Auto oder Bahn über zwei Stunden unterwegs – der Bus braucht nur eine Stunde mehr und das für weniger als zehn Euro, was immer mehr zum Umsteigen verführt.

Seit Anfang 2013 ist der Markt für Fernbusse in Deutschland weitgehend freigegeben, und schon im ersten Jahr nutzten neun Millionen geduldige Reisende das schnell wachsende Angebot. 2014 wurden 16 Millionen Fahrten verkauft. Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Fahrgäste um 36 Prozent auf 21,8 Millionen – das ist inzwischen schon ein Sechstel dessen, was die Deutsche Bahn (DB) 2015 im Fernverkehr transportierte. Diesen Wettbewerb spürt der Staatskonzern hautnah: „Ein dynamisch wachsender Fernbusmarkt und historisch niedrige Benzinpreise haben sich ebenso bemerkbar gemacht wie die im Vorjahresvergleich nochmals intensivierten Streiks“, klagte Finanzvorstand Richard Lutz vorige Woche bei der DB-Bilanzkonferenz, bei der ein Verlust von 1,3 Milliarden Euro bei 40 Milliarden Euro Umsatz erklärt werden mußte.

150 Millionen Euro EEG-Umlage belasten die Bahn

Für über elf Prozent der Verluste sind aber weder DB-Vorstand, GdL-Gewerkschaftsführer Claus Weselsky oder die Buskonkurrenz verantwortlich, sondern das von Angela Merkel geprägte „energiepolitische Umfeld“: Im Geschäftsjahr 2015 sei die Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für die DB „auf 150 Millionen angestiegen, was gegenüber dem Wert des Jahres 2012 fast eine Vervierfachung bedeutet“, erklärte Lutz. „Diese zusätzlichen Kosten für den mit Abstand ökologischsten Verkehrsträger bereiten uns auch deshalb Kopfzerbrechen, weil die Dieselpreise in den letzten Jahren nicht gestiegen, sondern gefallen sind und der Verkehrsträger Schiene aufgrund seines hohen Anteils an Elektromobilität – rund 80 Prozent unserer Traktionsenergie beziehen wir aus Bahnstrom – dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat.“

Die Fernbusbranche blickt dagegen optimistisch in die Zukunft: In diesem Jahr wird mit einer Steigerung der Fahrgastzahlen um ein Viertel auf über 27 Millionen gerechnet. Der mit einem Anteil von über zwei Dritteln unbestrittene Marktführer Mein Fernbus/Flixbus plant, künftig verstärkt auch Städte jenseits der ICE-Magistralen anzufahren, was die DB zusätzlich in die Bredouille bringen dürfte.

„Es gibt noch viele weiße Flecken“, erklärt Geschäftsführer André Schwämmlein. „Das heißt für uns Verkehr in Mittelstädten, teilweise auch kleinere Städten mit 20.000, 30.000 Einwohnern. Es geht jetzt einfach darum, das Angebot noch breiter aufzustellen.“ Der Unternehmer hat sogar seinen Blick über die Westgrenze geworfen: Seit die französische Regierung den Fernbusverkehr im August 2015 liberalisiert hat, steuern dort bereits 600 Busse knapp 150 Ziele an. „Der europäische Reiseverkehr ist ein großer Wachstumsmarkt mit Zukunft“, glaubt Schwämmlein.

Die DB ist mit ihren Marken Berlin-Linien-Bus/IC-Bus und 7,4 Prozent Marktanteil bislang nur der drittgrößte Anbieter. Daher soll das Verbindungsangebot bis Jahresende vervierfacht werden – etwa durch attraktive Auslandsziele. So geht es ab April von Nürnberg nach Prag, Straßburg und Paris. Von München werden Como und Mailand angesteuert. Schon jetzt ist Berlin–Breslau–Krakau oder Düsseldorf–Antwerpen–London im Angebot. Das erst seit Herbst 2014 in Deutschland aktive Unternehmen Megabus ist den DB-Ablegern mit schon 6,8 Prozent Marktanteil hart auf den Fersen. Die zur schottischen Stagecoach Group (zweitgrößtes Verkehrsunternehmen Großbritanniens) gehörende Firma betreibt nicht nur Fernbusse in den USA und Kanada, sondern steuert schon jetzt 150 Ziele in Europa an.

IG Fernbus befürchet politische Begehrlichkeiten

Der deutsche Markteintritt war bislang vor allem den – wohl von der Muttergesellschaft quersubventionierten – Kampfpreisen zu verdanken. Um das Billigimage aufzupolieren, hat Megabus kürzlich eine Kooperation mit der Bildungseinrichtung Arbeiterkind.de abgeschlossen. Die von Staat, Wirtschaft und Stiftungen finanzierte Initiative will Jugendliche aus Nichtakademikerfamilien zum Studium ermutigen. Megabus soll dafür werben und gleichzeitig die Studenten für kleines Geld vom Studienort nach Hause fahren. Wie sich dies finanziell rechnen soll, verriet Megabus-Direktor Edward Hodgson aber nicht.

Mit dem Geldverdienen hat allerdings die gesamte Branche so ihre Probleme. „Der Kunde definiert den Preis“, meint Schwämmlein. Ja, noch können Verluste den Geldgebern als Anfangsinvestitionen verkauft werden, doch irgendwann wollen sie Rendite sehen. Der ADAC hat schon kalte Füße bekommen und seine Anteile am zweitgrößen deutschen Fernbusanbieter Postbus 2015 komplett an die Deutsche Post AG abgegeben. Die 50.000 Fahrkarten für fünf Euro, die Postbus bis Ende März anbietet, werden – zynisch formuliert – über verschlungene Umwege wohl über die jüngste Portoerhöhung gesponsert.

„Im abgelaufenen Jahr sind die Preise schon langsam angestiegen, das ist für die Betreiber auch durchaus sinnvoll“, konstatiert diplomatisch Christiane Leonard, Chefin des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Und damit dieser Trend anhält, haben die vier Großen zusammen mit Touring/Eurolines eine „Interessengemeinschaft“ gegründet: Die IG Fernbus im BDO wolle auch politisch aktiv werden, denn „mit dem Erfolg des Fernbusses wachse auch die Begehrlichkeit, diese Form des Reisens einzuschränken und finanziell zu belasten“ – sprich: eine Mautpflicht für Busse (JF 2/16) oder eine Dieselsteueranhebung (JF 3/16) muß verhindert werden. Weitere Themen seien langwierige Genehmigungsverfahren, Grenzkontrollen, „willkürliche“ Stationsentgelte und die Verdrängung von Fernbusstationen aus den Innenstädten.