© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Jubel für den Verhafteten
Belgien: Die Festnahme des gesuchten Paris-Attentäters offenbart zahlreiche Mängel der Sicherheitsbehörden
Mina Buts

Fast wäre die Verhaftung des einzigen überlebenden Attentäters von Paris, Salah Abdeslam, gescheitert. Denn bevor die Sicherheitskräfte im Brüsseler Stadtteil Molenbeek überhaupt angerückt waren, standen die Ü-Wagen einzelner belgischer Fernsehstationen schon vor dessen Versteck. 

Offenbar hielt sich Abdeslam seit dem Terroranschlag vom 13. November in Paris nur 300 Meter von seinem Elternhaus entfernt auf. Von hier aus plante er neue Anschläge. Schwere Waffen, gefälschte Pässe, aber auch Kontaktdaten zu einem Mitarbeiter im Kernkraftwerk Doel – mutmaßlich um an radioaktives Material für eine „schmutzige“ Bombe zu gelangen – fanden die Sicherheitskräfte  bei ihm. Die flämische Tageszeitung De Morgen berichtet, daß die ganze Nachbarschaft sein Versteck in Molenbeek kannte. Mit tief sitzender Mütze bedeckt sei er auf den Straßen angetroffen worden und habe sich auch einen Spaß daraus gemacht, am Polizeirevier vorbei zu spazieren.

Justizvorschriften behindern  Arbeit der Polizei 

Dabei sprach der belgische Innenminister Jan Jambon von der nationalkonservativen N-VA schon unmittelbar nach dem Attentat vom November und den Hinweisen auf den Herkunftsort der Täter von Molenbeek als „Dschihadhauptstadt Europas“, die er nun gründlich aufräumen werde. Das Ergebnis der Ankündigung offenbarte sich bei der Festnahme Abdeslams: Steine flogen auf Polizei- und Reporterautos, eine Art „Fanclub“ jubelte dem Verhafteten zu und feierte ihn gleichsam als Helden.

Der erneute Anti-Terror-Einsatz in Molenbeek bringt die belgische Polizeichefin Catherine de Bolle in Erklärungsnöte. Keineswegs sei das ein Zufallserfolg, sondern das Ergebnis des unermüdlichen Einsatzes von 400 Mitarbeitern bei Sicherheitsbehörden und Polizei. Sie wehrt sich auch gegen Kritik aus Frankreich, Belgien sei von „unglaublicher Naivität“ gekennzeichnet. Der französische Sicherheitsexperte Alain Mersaud ging sogar so weit zu fragen: „Ist Abdeslam so klug oder die belgische Polizei so dumm?“  Donald Trump, amerikanischer Präsidentschaftskandidat, twitterte gar von der „Hellhole“, dem finsteren Loch Brüssel.

Belgien hat ganz offenkundig ein Problem mit dem islamistischen Terrorismus, das durch die disparaten Staatsstrukturen noch begünstigt wird. 19 Verwaltungsbezirke und 6 Polizeibezirke gibt es allein in Brüssel, die Wochenzeitung Knack spricht von einem „Verwaltungschaos in Brüssel, das die französischsprachigen Parteien zu verantworten“ hätten. Polizei, Justiz und Geheimdienste, jeweils für Flandern, Wallonien und Gesamtbelgien vorhanden, behindern sich gegenseitig. Jusitzvorschriften tun ihr übriges. Eine schon im November geplante Verhaftung Abdeslams scheiterte, weil zwischen 21 Uhr und fünf Uhr morgens keine Hausdurchsuchungen durchgeführt werden dürfen – am nächsten Morgen war der Gesuchte aber bereits entflohen. Nur wenig Geld fließt in den Kampf gegen den Terrorismus. Entsprechend unterstrich der Innenminster: „Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ziehen sich die Terrorzellen zurück oder sie aktivieren ihre Pläne. Die Arbeit geht also weiter.“

Foto: Molenbeeker Empfang für die Polizei: Medienberichten zufolge kannte die Nachbarschaft das „Versteck“ Abdeslams