© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Klartext im Keller
Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Marcus Schmidt

Hier im Keller wird Klartext geredet. Über die Asylkrise. Den Rechtsbruch an den deutschen Grenzen. Merkels eigenmächtiges Handeln. Bierhumpen kreisen, die Bedienung serviert Brezeln und Schweinebraten mit Klößen.

Im historischen Gewölbekeller einer bayerischen Gaststätte, wenige hundert Meter vom Berliner Regierungsviertel entfernt, machen sich die Bürger Luft. Könnte man meinen. Doch es ist etwas anders. Die, die hier den Stab über die Asylpolitik des vergangenen halben Jahres brechen, gehören selbst Regierungsparteien an. Der eine, Hans-Peter Friedrich (CSU), unter Merkel einst Innen- und Landwirtschaftsminister, ist sogar stellvertretender Fraktionschef der Union. Der andere, Rupert Scholz (CDU), war Ende der achtziger Jahre Verteidigungsminister und weiß als Verfassungsrechtler wovon er spricht, wenn er dem Handeln der Bundesregierung in der Asylkrise die rechtliche Grundlage abspricht. Und das Publikum, das auf Einladung des überparteilichen „Forums Mittelstand“ zusammengekommen ist, setzt sich nicht aus den in Verruf geratenen, demonstrationserprobten „besorgten Bürger“ zusammen, sondern aus  Abgeordneten, Bundestagsmitarbeitern, Beamten, Anwälten und Unternehmern. 

Sie hören, wie Scholz ein deutliches Urteil fällt: Wenn der Artikel 16a des Grundgesetzes wirklich ernst genommen würde, hätte keiner der mehr als eine Million Asylbewerber, die im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind, Anspruch auf Asyl, sagt er mit Blick auf die Drittstaatenregelung. „Die Bundesregierung hat mit ihrer Entscheidung zur Grenzöffnung Artikel 16a verletzt“, kritisiert Scholz. „Die Staatsgrenze ist ein elementarer Bestandteil des Staatsbegriffes.“ Erst durch die Grenze werde das Gebiet eines Staates definiert. „Ein Staat, der Grenzen aufgibt, ist kein Staat mehr“, verdeutlichte er. Das Recht und die Pflicht, eine Staatsgrenze zu haben und zu kontrollieren, sei ein unabänderlicher verfassungsrechtlicher Grundsatz.

Auch Friedrich läßt keinen Zweifel an seiner rechtlichen Einschätzung. „Es ist eine tolle Geschichte, daß eine Bundesregierung entscheidet, Gesetze nicht mehr anzuwenden“, kritisiert Friedrich und stellt gleichzeitg die Frage, ob Deutschland als christliches Land nicht eine Verpflichtung habe zu helfen. „Ja, indem wir Länder aufbauen und helfen. Aber wir können doch nicht alle herholen“, lautet seine Antwort. „Niemand in Berlin kommt doch auf die Idee, Obdachlose mit nach Hause zu nehmen“, sagt Friedrich. Aber Politiker müßten sich um Obdachlosenheime kümmern. 

Deutschland müsse die Grenzen seiner Möglichkeiten beachten, mahnte der CSU-Politiker. Daher sei eine Obergrenze für Flüchtlinge notwendig. Sonst drohe das Land bei der Integration überfordert zu werden. Denn es reiche nach Friedrichs Auffassung nicht, daß sich alle an die Gesetze halten. „Eine menschlich warme Gesellschaft, in der man sich wohl fühlt, braucht Kitt und einen Unterbau“, sagt Friedrich. Er warnt davor, sich von den gesunkenen Flüchtlingszahlen blenden zu lassen. „Warum ist das denn so? Weil unsere Freunde so mutig waren, die Grenzen zu schließen!“