© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Fehlstart in die Programmdiskussion
AfD: Früher als geplant ist der Entwurf des Grundsatzprogrammes in die Öffentlichkeit gelangt und sorgt prompt für Diskussionen
Marcus Schmidt

Nein, der Entwurf für das Parteiprogramm der AfD war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Doch „geleakt“, also gezielt „durchgestochen“, worden, sei das 72 Seiten starke Grundsatzprogramm auch nicht, wird in der Partei versichert. Vielmehr habe es sich bei der Veröffentlichung schlicht um ein Versehen gehandelt, an dem offenbar ein AfD-Landesvorsitzender nicht ganz unschuldig gewesen sei. Wie auch immer: Inmitten des Jubels über die zweistelligen Wahlergebnisse in drei Bundesländern hat die AfD jetzt eine handfeste Programmdiskussion am Hals. Am Freitag vergangener Woche mußte sich sogar der Bundesvorstand auf seiner turnusmäßigen Sitzung in Berlin mit dem Programm-Leck beschäftigen. 

„Wir wollen Deutsche sein und bleiben“ 

Für die AfD-Spitze kommt die Veröffentlichung des Entwurfs zur Unzeit. Denn das Papier legt einige Konfliktlinien offen, die die Partei in den kommenden Wochen bis zum Programmparteitag Ende April in Stuttgart noch beschäftigen dürften. Dabei droht vor  allem vom wirtschaftsliberalen Flügel der Partei Widerspruch, der sich nicht nur gegen die Festschreibung des gesetzlichen Mindestlohns im Entwurf sträubt.

In der Präambel zum Entwurf geht es zunächst sehr grundsätzlich – und pathetisch zu. „Entschlossen stellen wir uns den Kräften des alten und neuen Totalitarismus entgegen und verweigern uns dem Weg in die Knechtschaft“, ist dort über das Selbstverständnis der AfD zu lesen. Und weiter: „Wir sind freie Bürger und keine Untertanen. Wir stellen uns gegen einen übermächtigen Bevormundungs- und Ideologie-Staat und gegen die Willkür der politischen Klasse.“ Zugleich bekräftigt der Entwurf den Anspruch der AfD, eine Volkspartei zu sein, die sich nicht alleine rechts verorten lassen will: „Wir, überzeugte Demokraten und freie Bürger, Liberale und Konservative, wollen uns mit ganzer Kraft gemeinsam dafür einsetzen, unser Land im Geist von Demokratie und Freiheit grundlegend zu erneuern und eben diesen Prinzipien wieder Geltung zu verschaffen.“ und weiter: „Wir sind offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben.“

Kritisch beurteilt das Papier den Zustand der Demokratie. „Heimlicher Souverän“ sei eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien, die für die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich sei. „Als einzige Möglichkeiten, dem wahren Souverän sein politisches Entscheidungsrecht zurückzugeben, bleiben Volksbegehren und Volksentscheide“, heißt es im Entwurf. Diese werden sehr weit gefaßt und sollen sich unter anderem auch auf die Diäten der Bundestagsabgeordneten erstrecken. Auch das Grundgesetz dürfe „ohne Zustimmung des Volkes“ künftig nicht mehr geändert werden. „Wie in der Schweiz wollen wir die Volksabstimmungen bürgerfreundlich und demokratisch gestalten.“

Absage an Minarette und den Muezzinruf 

Sehr liberale Züge trägt das Kapitel zum Staatsverständnis. „Die ständige, teils ideologiegetriebene Expansion der Staatsaufgaben stößt an finanzielle und faktische Grenzen“, heißt es in dem entsprechenden Teil. Der Staat habe sich verzettelt. „Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung“, fordern die Autoren.

Wie von einer Partei, die aus Protest gegen die Euro-Rettungspolitik gegründet wurde, nicht anders zu erwarten, fallen die Forderungen zur Gemeinschaftswährung aus: „Wir fordern eine Volksabstimmung über den Verbleib Deutschlands im Euro, sofern die EU nicht unverzüglich zu den ursprünglichen Stabilitätsgrundsätzen des Euros zurückkehrt“, lautet ein Kernsatz in dem ausführlich gefaßten Kapitel.  

Mit Blick auf die Familienpolitik beklagt der Programmentwurf, daß die Wertschätzung für die traditionelle Familie zunehmend verlorengehe. Zudem greife der Staat immer stärker in die Erziehung ein. Gender Mainstreaming und die generelle Betonung der Individualität untergrabe die Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit. „In der Familie sorgen Mutter und Vater in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder“, lautet dagegen der familienpolitische Leitsatz. Dagegen wendet sich die Partei in dem Entwurf gegen eine gezielte Förderung von Alleinerziehenden. Wer unverschuldet in diese Situation geraten sei, verdiene selbstverständlich die Unterstützung der Solidargemeinschaft. „Eine staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells ‘Alleinerziehend’ lehnen wir jedoch ab“, stellt der Entwurf aber klar.

Ausländischen Staaten und Geldgebern will die AfD untersagen, Moscheen in Deutschland zu errichten. Zudem wendet sich die Partei gegen Minarette „als islamisches Herrschaftssymbol“ sowie den Muezzinruf. Beides stehe im Widerspruch zu einem toleranten Nebeneinander der Religionen.

Schlecht bestellt ist es nach Auffassung der Partei um die Presse- und Meinungsfreiheit. „Die AfD fordert: Schluß mit politischer Korrektheit.“ Zudem soll  der Beitragsservice (GEZ) ersatzlos abgeschafft werden. „Die staatliche Informationsversorgung wird durch einen steuerfinanzierten Rundfunk mit zwei Rundfunksendern und zwei Fernsehsendern geleistet“, schlägt die AfD vor.